Die Sozialisten von Ministerpräsident Sánchez haben Hochrechnungen zufolge die Parlamentswahl gewonnen.
Die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez haben Hochrechnungen zufolge die Parlamentswahl in Spanien klar gewonnen, die absolute Mehrheit aber deutlich verfehlt. Nach Auszählung von mehr als der 60 Prozent der Stimmen kam die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) am Sonntagabend auf 29,45 Prozent und damit auf 124 der insgesamt 350 Sitze. Das sind 39 mehr als bei der letzten Wahl 2016.
Die rechtsextreme Partei Vox wird mit derzeit 9,97 Prozent erstmals ins Parlament einziehen. Sie lag aber hinter ihren Umfrageergebnissen von zwölf Prozent. Die konservative Volkspartei PP stellte mit 65 Sitzen zwar die zweitstärkste Kraft im Parlament, verlor aber mehr als die Hälfte ihrer Mandate. Es folgten das Mitte-rechts-Bündnis Ciudadanos mit 57 Sitzen und die linksalternative Podemos mit 33 Sitzen.
Historisch hohe Beteiligung von rund 75 Prozent
Bei der Parlaments-Neuwahl in Spanien ist am Sonntag eine historisch hohe Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent registriert worden. Das berichteten spanische Medien am Abend unter Berufung auf die Wahlbehörde. Das waren fast neun Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl im Juni 2016.
Fast 37 Millionen Spanier waren aufgerufen, in 23.000 Wahllokalen ihre Stimme abzugeben. 1982 hatten sich ein Jahr nach dem Putschversuch 79,97 Prozent der Bürger an der Wahl beteiligt.
Spanien steuert mit dem Einzug einer ultrarechten Partei ins Parlament und unklaren Mehrheitsverhältnissen politisch auf Konfrontation und Instabilität zu. Umfragen zufolge reichten die Stimmen für die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez und das Linksbündnis Unidas Podemos bei der Parlamentswahl am Sonntag nicht für eine absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
Das rechte Lager aus konservativer Volkspartei, den liberalen Ciudadanos und der erstmals in der Parlamentskammer vertretenen ultra-rechten Vox kann ebenfalls voraussichtlich nicht aus eigener Kraft regieren. Das Interesse an der vom Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens überschatteten Wahl war sehr hoch, obwohl die Spanier bereits zum dritten Mal binnen vier Jahren an die Urnen gerufen wurden. Bereits am frühen Abend hatten mehr als 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz gesetzt - die höchste Beteiligung seit 2008.
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Die im Fernsehsender RTVE veröffentlichte Studie basiert auf einer Abfrage von Wahlabsichten, die in der vergangenen Woche vor dem Urnengang vorgenommen wurde. In früheren Fällen hatten sich diese nicht immer als akkurat erwiesen. Diese Umfragen sahen Sánchez' Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) bei 120 bis 130 Abgeordnetenmandaten - die absolute Mehrheit liegt bei 176. Vox konnte demnach mit bis zu 50 Sitzen rechnen. Die Wahlbeteiligung lag deutlich über der beim letzten Urnengang.
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Zum Zünglein an der Waage werden womöglich nationalistische Parteien aus dem Baskenland oder Katalonien, die dem linken Lager mit ihren Mandaten zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Doch der Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Region Katalonien hatte letztlich dazu geführt, dass Sanchez als Chef einer Minderheitsregierung seinen Haushalt nicht durchbringen konnte und Neuwahlen ansetzen musste.
Nun könnte sich die politische Blockade fortsetzen. Zugleich dürfte sich die Polarisierung in der immer stärker zersplittert wirkenden Parteienlandschaft verstärken: Mit Vox zieht erstmals seit 1982 und damit der Frühphase der Demokratie nach der Franco-Herrschaft eine Partei vom rechten Rand ins Abgeordnetenhaus ein. Die erst 2013 gegründete Partei kämpft gegen illegale Einwanderung und hat in Anlehnung an die von US-Präsident Donald Trump geforderte Grenzmauer zu Mexiko ein ähnliches Bollwerk für die in Nordafrika gelegenen spanischen Städte Ceuta und Melilla gefordert. Für die Kosten soll laut Vox-Chef Santiago Abascal das Nachbarland Marokko aufkommen.
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Vox hat ebenso wie die Volkspartei von Spitzenkandidat Pablo Casado und die liberalen Ciudadanos mit einer kompromisslosen Haltung gegenüber den Separatisten um Wählerstimmen geworben. Unter Sanchez' konservativem Vorgänger Mariano Rajoy war Katalonien unter Zwangsverwaltung gestellt worden, nachdem Separatisten im Oktober 2017 ein als verfassungswidrig eingestuftes Referendum abgehalten und später die Abspaltung ausgerufen hatten.
Die durch den Streit um Katalonien aufgeheizte Stimmung und das zersplitterte Parteienspektrum verhinderten bisher die Bildung von lager-übergreifenden Koalitionen. Dabei blieben in den vergangenen Jahren Strukturreformen und Haushaltssanierung liegen: Den Staat drücken bereits Schulden von fast 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Land weist zudem die zweithöchste Arbeitslosenquote in der Euro-Zone nach Griechenland auf.
Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen geht davon aus, dass die Sozialisten und Podemos die Arbeitsmarktreformen von 2012 teilweise zurückdrehen und zumindest für große Unternehmen und hohe Einkommen die Steuern anheben und damit zusätzliche Sozialleistungen finanzieren wollen. "Die Parteien auf der anderen Seite des politischen Spektrums setzen hingegen auf Steuersenkungen und auf eine weitere Deregulierung."
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