Im Eilverfahren

Rechtsextremes deutsches Magazin "Compact": Verbot aufgehoben

Teilen

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins im Eilverfahren vorläufig aufgehoben. 

Das teilte das Gericht in Leipzig am Mittwoch mit. Eine endgültige Entscheidung wird im Hauptsacheverfahren fallen. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hatte Mitte Juli "Compact" verboten. Sie begründete dies damit, dass das Magazin ein "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene" sei.

"Compact" hatte dagegen eine Klage sowie einen Eilantrag gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Verbots eingereicht. Das Bundesverwaltungsgericht ist in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig. Über das Eilverfahren hat das Gericht jetzt entschieden.

Zweifel an Verhältnismäßigkeit

Das Gericht meldete vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots an und betonte die Bedeutung der Pressefreiheit. Da Faesers Verbotsverfügung zu einer sofortigen Einstellung des gesamten Print-und Onlineangebots von "Compact" geführt hätte, komme dem Grundrecht der Pressefreiheit ein besonders Gewicht zu, erklärten die Bundesrichter. Solange nicht endgültig über die Klage entschieden ist, könne das Medienunternehmen seinen Betrieb fortführen.

Es ließen sich in den Veröffentlichungen zwar "Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde" erkennen. Auch lasse sich aus vielen Beiträgen "eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen" herauslesen. Zweifel bestünden jedoch, ob dies alles derart prägend sei, dass ein vollständiges Verbot von "Compact" mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei. Womöglich seien hier mildere Mittel, etwa presserechtliche Maßnahmen oder Veranstaltungsverbote, angezeigt.

Jubel für vorläufige Aussetzung des Verbots

Die vorläufige Aussetzung des Verbots begrüßte "Compact"-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf der Plattform X mit Jubel. "SIEG!!!!! Das Gericht hat das COMPACT-Verbot im Eilverfahren aufgehoben. Eine Entscheidung wird erst im Hauptsacheverfahren fallen, und das werden wir auch gewinnen. Hauptsache dauert mind. zwei Jahre. BIS DAHIN KÖNNEN WIR WEITERMACHEN!", schrieb er am Mittwoch. Elsässer kündigte an, die Arbeit rasch wieder aufnehmen zu wollen.

Das Innenministerium betonte indes, es halte an seiner Rechtsauffassung fest. "Das Bundesinnenministerium hat das verfassungsfeindliche aggressiv-kämpferische Agieren der 'Compact-Magazin GmbH' in der Verbotsverfügung umfassend begründet und durch umfassendes Beweismaterial der Sicherheitsbehörden belegt", teilte eine Sprecherin des Ministeriums nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Gerichts mit. Es werde seine Rechtsauffassung für das Verbot im Hauptsacheverfahren weiter umfassend darlegen und den "prägenden Charakter der Verfassungsfeindlichkeit weiter substanziieren".

Ministerium wertet Beweismittel aus

Auch die bei den richterlich angeordneten Durchsuchungen sichergestellten Beweismittel dürften weiterhin in das Verfahren einfließen und würden vom Ministerium derzeit ausgewertet. Die Vereinigung weise enge Verbindungen zur rechtsextremistischen Identitären Bewegung und zum rechtsextremistischen Parteienspektrum auf, sagte die Sprecherin. Das zeige sich unter anderem in der wechselseitigen Teilnahme an und Unterstützung von Veranstaltungen.

Wegen des nun vorläufig ausgesetzten Verbots griff Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) Innenministerin Faeser (SPD) scharf an. Diese habe "sich auf juristisch extrem dünnes Eis begeben und ist eingebrochen", sagte Kubicki dem "Tagesspiegel" am Mittwoch. "Sollte sie auch im Hauptsacheverfahren scheitern, war es das", fuhr Kubicki fort. Er kommentierte die Entscheidung auf X zudem mit den Worten: "Frau Faeser sollte jetzt in sich gehen und sich überlegen, ob sie weiter Wahlkampf für die (rechtspopulistische Oppositionspartei) AfD machen will."

 

 

 

Rücktritt Faesers gefordert

Der FDP-Politiker hatte sich bereits kurz nach dem Verbot kritisch zu der Maßnahme geäußert. Sollte dieses aufgehoben werden, sei ein Rücktritt Faesers "unvermeidlich", sagte er damals dem "Tagesspiegel".

AfD-Co-Chefin und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel forderte ihrerseits am Mittwoch umgehend einen Rücktritt Faesers. "Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Lanze für die Pressefreiheit gebrochen und der Bundesinnenministerin eine gewaltige Ohrfeige verpasst. Der Rücktritt von Nancy Faeser ist jetzt überfällig", schrieb sie auf X.

Die Linke sah die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als "Beleg für einen funktionierenden Rechtsstaat", wie die innenpolitische Sprecherin der Gruppe im Bundestag, Martina Renner, der Zeitung sagte.

Grundrecht der Pressefreiheit

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht in der Entscheidung ein klares Bekenntnis zum Grundrecht der Pressefreiheit. "Damit steht fest, dass das 'Compact'-Verbot ein politischer Schnellschuss war, der heute nach hinten losging", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. "Bis eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache vorliegt, kann noch viel Zeit vergehen." Faeser müsse ihren berechtigten Kampf gegen den Rechtsextremismus unter Beachtung der verbrieften Grundrechte führen. Der politische Flurschaden sei sonst immens.

Faeser hatte das Verbot damals mit folgenden Worten begründet: "Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie." Das Verbot zeige, "dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen".

Schon 2022 urteilte der deutsche Verfassungsschutz, das Magazin trage "als multimediales Unternehmen demokratiefeindliche und menschenwürdewidrige Positionen in die Gesellschaft". Die führenden Akteure des Magazins unterhalten Kontakte zu wichtigen Akteuren der sogenannten Neuen Rechten.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten