Italien

Regierungskrise: Koalitionäre gespalten wie nie

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Vizepremiers und Parteichefs bei parteilosem Premier Conte.

In Italien droht wegen einer umstrittenen Bahntrasse eine Regierungskrise. In der Koalition sei in den vergangenen Monaten "etwas kaputtgegangen", sagte der Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, am Mittwochabend vor Anhängern in Sabaudia.

Die Koalition der Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hatte sich zuvor im Senat gespalten wie nie gezeigt. Die Sterne hatten einen Antrag für einen Stopp der geplanten Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen dem französischen Lyon und Turin (TAV) eingebracht und am Mittwoch auch dafür gestimmt.

Die Lega befürwortet dagegen das von der EU geförderte Milliardenprojekt, für das sich zuletzt auch der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte ausgesprochen hatte. Der Senat positionierte sich mehrheitlich gegen einen Projekt-Stopp und schloss sich damit dem Kurs der Lega an. Schon im März wäre die Regierungsallianz an dem Streit um die Zugstrecke fast zerbrochen. Salvini hatte noch am Montag gemahnt, wer Nein zur TAV sage, bringe die Regierung in Gefahr, und hatte eine Neuwahl ins Spiel gebracht. Spekulationen über einen möglichen Bruch der Koalition reißen ohnehin seit Monaten nicht ab.

Am Mittwochabend hatte Salvini mit Premier Conte beraten, wie Medien berichteten. Anschließend soll auch Sterne-Chef Luigi Di Maio im Regierungspalast gewesen sein. Salvini machte Andeutungen, dass es am Donnerstag Entwicklungen geben könnte. Eine für in der Früh angesetzte Pressekonferenz von Conte vor der Sommerpause wurde kurzfristig abgesagt. Ebenso ein Auftritt Salvinis. "Wenn es ein Problem zu lösen gibt, wird es schnell gelöst werden", sagte der Innenminister und Vize-Premier vor seinen Anhängern und machte klar, dass er an einer Regierungsumbildung kein Interesse habe. Salvinis Partei hatte bei der Europawahl im Mai aufgetrumpft.

Die Sterne, die bei der Parlamentswahl 2018 noch stärkste Partei waren, stehen in Umfragen jetzt schlecht da und dürften kein Interesse an einer Neuwahl haben. Der Lega-Senator Massimiliano Romeo warf dem Koalitionspartner im Senat vor, die Regierung zu behindern. "Wenn ihr Teil der Regierung seid, müsst ihr für die TAV sein", sagte er. Romeo gab einigen Senatoren teilweise recht, die von einer "surrealen Stimmung" sprachen. Nach der Abstimmung war in den Zeitungen von "Chaos" und einer "gespaltenen Koalition" die Rede.

Oppositionsführer Nicola Zingaretti von der sozialdemokratischen PD (Demokratische Partei) forderte den Rücktritt der Regierung. Denn Differenzen gibt es nicht nur um die geplante insgesamt 270 Kilometer lange Bahntrasse mit einem rund 60 Kilometer langen Tunnel durch die Alpen: In den vergangenen Monaten stritten die Regierungspartner auch über die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin. Uneinigkeit herrschte auch in Migrations- und Finanzfragen oder wegen Korruptionsvorwürfen gegen einen Lega-Politiker. Regierungschef Conte ging Anfang Juni so weit, den Streithähnen ein Ultimatum zu setzen.

Salvini befeuert die Spannungen weiterhin bei unzähligen Auftritten, die einem Wahlkampf gleichkommen und präsentiert sich mit seinen Anhängern. Für die kommenden Tage hat er eine Tour an verschiedene Strände in Italien geplant. Die umstrittene Bahnstrecke ist seit Jahren avisiert. Auf einem Teil wurde auch schon mit den Bauarbeiten begonnen. Die Strecke soll die Zugfahrten zwischen Städten in Europa wie Mailand, Venedig, Barcelona, Lissabon und Paris beschleunigen. Zudem soll damit mehr Güterverkehr auf die Schienen gebracht werden.

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