Mehr als 135 Tote & 5.000 Verletzte

Riesige Explosion in Beirut: ''Es sieht aus wie im Krieg''

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Österreicher kamen bei der ­katastrophalen Detonation in Beirut nicht zu Schaden.

Völlig zerstörte Häuser und Geschäfte, verzweifelte Menschen, die versuchen, ihr letztes Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Es sind Szenen des Schreckens, die sich derzeit in der libanesischen Hauptstadt Beirut abspielen.

Beirut Explosion
© Getty Images
× Beirut Explosion

Die Explosion am Hafen am Dienstagabend hat Teile der Stadt dem Erdboden gleichgemacht. „Alle Menschen schrien und rannten um ihr Leben“, schildert Augenzeuge Ramez Morad – Bekannter einer ÖSTERREICH-Mitarbeiterin – die heftige Detonation (siehe Interview unten).

Video zum Thema: Videos von Explosion und Nachwehen

Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben. Über 5.000 Menschen wurden verletzt. Mindestens 250.000 Bewohner sind obdachlos. „Es sieht aus wie in einem Kriegsgebiet“, beschreibt Jamal Itani, der Bürgermeister von Beirut, die Lage vor Ort.

Beirut Explosion
© AFP/IBRAHIM AMRO
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Auch die österreichische Botschaft im Stadtviertel Achrafieh wurde beschädigt. Derzeit ist noch unklar, ob das Gebäude in den nächsten Tagen wieder genutzt werden kann.

Video zum Thema: Aufnahmen aus einem Spital in Beirut

180 österreichische UN-Soldaten im Libanon

➔ Bundesheer. 180 österreichische UN-Soldaten sind derzeit im UN-Camp Naqura im Libanon stationiert, 110 Kilometer von Beirut entfernt. „Wir hörten einen dumpfen Knall“, beschreibt deren stellvertretender Kommandant Andreas Obrist die Explosion. „Wir haben einen Soldaten in Beirut, der alles miterlebt hat. Er ist glücklicherweise wohlauf“, sagt Major Obrist.

Die österreichischen Soldaten befinden sich in Warteposition. „Der Libanon prüft derzeit, ob UN-Soldaten in Beirut eingesetzt werden sollen, um zu helfen.“

2.750 Tonnen gelagertes 
Ammoniumnitrat explodierte

➔ Ursache. Ermittler versuchen nun herauszufinden, was die Ursache der gewaltigen Detonation war. Im Mittelpunkt steht die große Menge Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert worden war – insgesamt 2.750 Tonnen. Regierungschef Hassan Diab kündigte an, die Verantwortlichen „zur Rechenschaft“ zu ziehen. Einige wurden unter Hausarrest gestellt.

Zur Hilfe kommen bereits einige Staaten. Zwei französische Flugzeuge sind mit medizinischer Ausrüstung auf dem Weg. Die Niederländer schickten 70 Helfer. Auch die Bundesheer-Spezialeinheit des ABC-Abwehrzentrums Korneuburg hat sich für einen etwaigen Einsatz eingemeldet.

Video zum Thema: Ammoniumnitrat-Lager im Hafen

Ammoniumnitrat: Düngerzusatz und gefährlicher Sprengstoffbestandteil

Ammoniumnitrat dient in den meisten Düngemitteln als Stickstoffquelle. Die Chemikalie ist aber auch Grundbestandteil von Sprengstoffen wie Dynamit. Richtig gelagert ist Ammoniumnitrat relativ ungefährlich. Wenn es allerdings thermisch zersetzt wird, also überhitzt, wird Ammoniumnitrat sprengfähig und erreicht die fünffache Stärke von Schwarzpulver. Die Chemikalie wird umso gefährlicher, desto ­unsachgemäßer sie gelagert wird. Dann verwandelt sich die Struktur und Ammoniumnitrat wird noch explosiver.

Augenzeuge: "Alle Menschen schrien und rannten um ihr Leben"

Der Libanese und Architekt Ramez Morad (30) lebt in Beirut und war Zeuge der Katastrophe.

ÖSTERREICH: Ramez Morad, wie erlebten Sie die Explosion vor Ort?

Morad: Ich war ungefähr fünf Autominuten entfernt in einem Einkaufcenter. Alles wackelte – wir dachten zuerst an ein Erdbeben. Als Sekunden später ein ohrenbetäubender Knall folgte und praktisch alle Fenster der Stadt gleichzeitig zerbarsten, glaubten wir an einen Angriff. Es herrschte Chaos. Alle schrien und rannten um ihr Leben. Wir hatten unglaubliche Angst.

ÖSTERREICH: Wie reagierten Sie dann?

Morad: Ich versuchte, meine Eltern zu erreichen. Sie leben auch in Beirut. Dann stieg ich mit meinem Fahrer ins Auto. Wir sahen die Rauchwolke und fuhren so schnell als möglich in die entgegengesetzte Richtung. Genauso wie viele andere Menschen. Wir fürchteten da noch eine weitere Detonation.

ÖSTERREICH: Haben Sie schon das Ausmaß der Zerstörung mitbekommen?

Morad: Der größte Hafen des Libanon ist zerstört. Geschäfte und Häuser sind in Schutt und Asche. Ein ganzes Stadtviertel gibt es nicht mehr. Es ist unvorstellbar.

ÖSTERREICH: Wie geht es den Menschen in Beirut jetzt?

Morad: Viele sind gebrochen. Wir hatten schon vorher wirtschaftliche Probleme, dann kam ­Corona und jetzt die Explosion in unserer Stadt. Wie es weitergeht, wissen wir derzeit nicht.

 

(mko)

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