Außenminister zu Hagia-Sophia-Urteil

Schallenberg: "Erdogans Nationalismus wirft Türkei zurück"

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Erdogan: Erste Gebete in Hagia-Sophia-Moschee am 24. Juli - Kritik von Schallenberg.

Istanbul/Paris. Die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul soll künftig wieder als Moschee genutzt werden. Am 24. Juli solle das erste muslimische Gebet in dem Kuppelbau aus dem 6. Jahrhundert stattfinden, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede am Freitag.

Nicht-Muslime dürften das Gebäude aber weiterhin besichtigen. Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hatte zuvor den seit 1935 bestehenden Museumsstatus des Gebäudes aufgehoben.
 
Das Gericht erklärte in seiner Entscheidung, die Hagia Sophia (türkisch: Ayasofya), die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt und Touristen aus aller Welt anzieht, könne für muslimische Gottesdienste genutzt werden. Künftig solle das Gebäude der Religionsbehörde Diyanet unterstellt werden, kündigte Erdogan in einem Dekret an.

UNESCO bedauere die Entscheidung "zutiefst"

Die UNESCO teilte mit, sie bedauere die Entscheidung "zutiefst". Es habe vorab kein Gesprächsangebot zum Status der ehemaligen byzantinischen Kathedrale gegeben, erklärte UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay. Zuvor hatte die UN-Behörde die Türkei vor der eigenmächtigen Umwandlung des historischen Gebäudes in eine Moschee gewarnt. Mit dem Status als Weltkulturerbe seien "eine Reihe von Zusagen und rechtlichen Verpflichtungen verbunden".
 
Ein Staat dürfe "keine Veränderung an dem herausragenden universellen Wert" eines Welterbe-Monuments vornehmen, unterstrich die UNESCO. Die Hagia Sophia gehört als Teil der Istanbuler Altstadt zum Welterbe.
 
Die russisch-orthodoxe Kirche bedauerte den Schritt. Die türkische Entscheidung ignoriere "die Sorge von Millionen von Christen", sagte der russische Kirchensprecher Wladimir Legoida der Nachrichtenagentur Interfax.
 
Die griechische Regierung verurteilte die Umwandlung in eine Moschee. Dies sei eine "offene Provokation gegenüber der gesamten zivilisierten Welt", erklärte die griechische Kulturministerin Lina Mendoni. Erdogans "Nationalismus" werfe die Türkei "sechs Jahrhunderte zurück." Die Gerichtsentscheidung zeige, dass es in der Türkei "keine Unabhängigkeit der Justiz" gebe.

Kritik von Außenminister Schallenberg

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte den Schritt der Türkei. "Als Museum stand die Hagia Sophia Millionen Menschen aller Kulturen und Religionen offen. Die heutige Entscheidung, diesen Status aufzuheben, ist ein weiterer Schritt der Türkei weg von Europa, den wir zutiefst bedauern und nicht nachvollziehen können", erklärte Schallenberg in einer Aussendung.
 
Griechenland und Russland beobachten genau, wie die Türkei mit ihrem byzantinischen Erbe umgeht. Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert zunächst als Basilika errichtet, die Hunderte Jahre lang Reichskirche der Byzantiner war. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 wurde die Kirche dann in eine Moschee umgewandelt.
 
Nach der türkischen Republikgründung wurde sie 1935 zum Museum, in dem keine Gottesdienste erlaubt waren - und später zum Touristenmagnet in der Istanbuler Altstadt. Nur ein paar Schritte von der Hagia Sophia entfernt liegen der weitläufige Komplex des Topkapi-Palastes, des ehemaligen Sitzes der osmanischen Sultane sowie die Blaue Moschee aus dem frühen 17. Jahrhundert.
 
Seit 2005 hatte es mehrere Versuche gegeben, den Status als Museum zu ändern. Erdogan hatte die Umwandlung in ein Museum zuletzt als "großen Fehler" bezeichnet. Die säkulare türkische Opposition und die USA als wichtigster Verbündeter der Türkei sind gegen eine Nutzung als Moschee.
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