Schwere Vorwürfe gegen Kroatien: NGO veröffentlicht brisante Aufnahmen.
Für die sich mehrende Berichte über unzulässige Kollektivabschiebungen von Flüchtlingen in Kroatien soll es nun handfeste Beweise geben. Die Watchdog-Organisation Border Violence Monitoring (BVM) veröffentlichte am Sonntag einen anonymen Bericht mit Bild- und Videomaterial, "das erstmals das illegale Vorgehen der kroatischen Polizei beweist", hieß es in einer Mitteilung.
Die vorliegende Materialsammlung bestätigt laut BVM "systematische Kollektivausweisungen" von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze zu Bosnien. "Das Material, das BVM auf einem Datenträger anonym erhalten hat, beweist erstmals umfangreich, dass die kroatische Polizei auf bosnischem Staatsgebiet, fernab offizieller Grenzposten, systematisch Kollektivausweisungen durchführt", hieß es.
BVM is publishing new footage confirming the long existing suspicion of #HumanRightsViolations against #Refugees at external #EU #border between #Bosnia and #Croatia@DavorBozinovic @EU_Commission
— Border Violence Monitoring (@Border_Violence) 16. Dezember 2018
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#PushbacksAreIllegal pic.twitter.com/LQa4VdfvrN
Push-Backs klar erkennbar
Das Material wurde demnach von einer anonymen Gruppe mit versteckten Kameras im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet aufgenommen. Die sogenannten Push-Backs seien darin klar zu erkennen, hieß es. Die BVM, die den Bericht Ende November zugesandt bekommen hat, hält das Material für glaubhaft.
Auch andere Menschenrechtsorganisationen, zuletzt diese Woche Human Rights Watch (HRW), haben schwerwiegende Anschuldigungen gegen die kroatische Grenzpolizei erhoben. HRW schrieb in einem Bericht, dass Flüchtlinge und Migranten, die über die grüne Grenze ins Land kommen, von kroatischen Beamten umgehend zurück nach Bosnien geschickt werden - manchmal auch unter Gewaltanwendung. Dabei werde den Flüchtlingen das Recht verwehrt, in Kroatien einen Asylantrag zu stellen. Ähnliche Vorwürfe erhoben zuvor auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats und das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR).
Die bisherigen Berichte stützten sich überwiegend auf Befragung von Betroffenen, nun soll der Vorwurf der Kollektivabschiebungen erstmals durch das Bild- und Videomaterial belegt werden. Die Aufnahmen von versteckten Kameras entstanden in einem Waldstück nahe Lohovo in Bosnien (etwa 13 Kilometer von der Stadt Bihac entfernt) zwischen dem 29. September und dem 10. Oktober 2018. Laut dem Bericht zeigen sie Push-Backs, bei denen mindestens 350 Schutzsuchende, darunter Kleinkinder, Minderjährige und Frauen, zurück nach Bosnien geschickt werden.
Die Flüchtlinge werden laut dem anonymen Bericht mit Polizeifahrzeugen in die Nähe der Grenze außerhalb des offiziellen Grenzübergangs und außer Sicht der bosnischen Behörden gebracht. Kroatische Beamte führen sie dann zu Fuß noch ein Stück weiter auf die andere Seite der Grenze zu einem Waldweg, der zur Hauptstraße nach Bihac führt. "Den Flüchtlingen bleibt nichts anderes übrig, als die steile Waldstraße hinunter zu laufen (1,5 Kilometer) und zu Fuß entlang der (Magistralstraße, Anm.) M11 nach Bihac zurückzugehen (4-5 Stunden)", so der Bericht.
Die Aufnahmen zeigen verschieden große Gruppen von Menschen, die in Begleitung von kroatischen Grenzpolizisten entlang eines Waldes unterwegs sind - manchmal am Tag, manchmal im Dunkeln, wobei die Beamten mit Taschenlampen ausgestattet sind. Wieder andere Aufnahmen zeigen, wie die Beamten auf demselben Weg allein zurückgehen.
Die versteckten Kameras haben insgesamt 54 Fälle aufgezeichnet. Die Organisation geht allein an diesem Punkt von mehr als 150 Push-Backs im Monat aus. "Diese Push-Backs werden nicht auf offiziellen Grenzposten und ohne die Anwesenheit von bosnischen Beamten durchgeführt, weshalb sie illegal sind", hieß es aus der Gruppe, die hinter den Aufnahmen steht. Sie will aufgrund der Brisanz des Materials anonym bleiben.
Dazu berichten lokale NGOs auch über die Zerstörung von Eigentum der Flüchtlinge, Gewaltanwendung und Diebstahl, die diese Push-Backs begleiten, so BVM. Mitglieder der Organisation Ärzte ohne Grenzen behandeln demnach an Ort und Stelle regelmäßig Verletzungen, die durch Schlagstöcke entstanden seien, hieß es weiter.
In den beigelegten Aufnahmen tragen die Beamten in vielen Fällen Maschinengewehre oder Schlagstöcke bei sich. Ein weiteres Video zeigt, wie die Flüchtlinge gezwungen werden, in einer Reihe mit einer Hand auf der Schulter der vorderen Person zu gehen. Dabei schreit ein Beamter mit einer Pistole in der Hand einen Flüchtling an.
Das kroatische Innenministerium hatte in der Vergangenheit ähnliche Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen stets zurückgewiesen. Innenminister Davor Bozinovic betonte in einer Reaktion auf den jüngsten HRW-Bericht, dass die Vorwürfe nicht nachgewiesen werden könnten und dass die Polizei stets professionell vorgehe. Das Innenministerium habe "Null-Toleranz" gegenüber Gewaltanwendung, hieß es aus Zagreb. Laut Bozinovic stammen die Anschuldigungen von Personen, die beim Versuch, illegal nach Kroatien einzureisen, gescheitert seien, berichteten die Medien. In einem Brief an HRW meinte der Minister außerdem, die Migranten würden die kroatische Polizei beschuldigen, weil sie hofften, das würde ihnen helfen, ins Land zu kommen.