Schock-Abstimmung

Schweiz wirft Ausländer raus

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52,9 % der Schweizer begrüßen die sogenannte "Ausschaffungsinitiative".

Kriminelle Ausländer in der Schweiz werden nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung bei bestimmten Delikten künftig ausgewiesen. Eine vom Rechtspopulisten Christoph Blocher (SVP) vorgelegte Initiative bekam am Sonntag in einer Volksabstimmung 53 % Ja-Stimmen.

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Grafik Schweiz
© OE24

Konkret fordert die Initiative, die vor allem in deutschsprachigen Kantonen große Anerkennung fand, eine automatische Ausweisung bei folgenden Delikten: vorsätzliche Tötung, Vergewaltigung, ein anderes schweres Sexualdelikt, Raub, Menschenhandel, Drogenhandel und Einbruch.

Abschiebung auch bei Sozialhilfe-Missbrauch
Neben den genannten Verbrechen soll sogar die „Erschleichung“ von Sozialhilfe Grund für eine „Ausschaffung“ sein, wie die Schweizer „Abschiebung“ nennen.

Die Liste der Tatbestände kann nun bei Bedarf ergänzt werden. Weiters sollen ausgewiesene Ausländer in der Folge mit einem Einreiseverbot von fünf bis 15 Jahren belegt werden, im Wiederholungsfall sogar von 20 Jahren.

Kritiker: Nicht vereinbar mit Völkerrecht und EU
Die Schweizer setzen also auf volle Härte gegen kriminelle Ausländer. Ein Gegenvorschlag, der einen milderen Umgang vorgesehen hätte, wurde abgelehnt. Staatsrechtler hegen jetzt starke Zweifel an der Gültigkeit der „Ausschaffungsinitiative“, da sie zwingendes Völkerrecht verletze. Zum zwingenden Völkerrecht wird unter anderem das Verbot gezählt, eine Person, die keine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet, in ein Land abzuschieben, in dem ihr etwa Folter droht. Neben diesen staatsrechtlichen Bedenken kommen auch Einwände der EU. Brüssel hat bereits angedeutet, dass die geplante Praxis nicht mit EU-Rechten vereinbar sei.

Auch wirtschaftlich könnte die Schweiz Folgen spüren: Die deutsche Ausgabe des europäischen Eliteblatts „Financial Times“ hatte schon vor Bekanntwerden der Abstimmung getitelt: „Schweiz vergrault Investoren“.

Folgen für Österreich
Was bedeutet das Schweizer Ergebnis jetzt für Österreich? Alev Korun, Grüne Sprecherin für Integration, Migration und Menschenrechte ist erregt: „Diese Praxis rüttelt an den Grundfesten der Justiz.“

FPÖ-Volksbegehren mit Schweizer Ausländerthema
Hohe Zustimmung und Applaus findet das Schweizer Ergebnis nur bei der FPÖ. FP-Chef HC Strache gratulierte den Eidgenossen für ihren Mut: „Die Schweizer zeigen uns wieder einmal, wie es geht. Das haben sie auch beim Minarett-Verbot eindrücklich vorgezeigt.“ Strache fordert ein solches Gesetz auch für Österreich: „Wir wollen die Umsetzung der Abschiebung von Verbrechern auch bei uns!“ Und: Der Ausbau von demokratischen verbindlichen Volksabstimmungen soll endlich auch in Österreich umgesetzt werden.

Außerdem kündigt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky im Gespräch mit ÖSTERREICH an: „Schon im Frühjahr 2011 wollen wir die Ausweisung von Kriminellen in das von uns geplante Volksbegehren aufnehmen

ÖSTERREICH-Interview mit Harald Vilimsky
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zum Schweizer Abstimmungsergebnis?
Harald Vilimsky: Es ist erfreulich, dass diese Initiative stattgefunden hat und schwer kriminelle Zuwanderer ungeachtet ihres Status den Aufenthalt verlieren.

ÖSTERREICH: Kritiker sagen, dass die Initiative Völkerrecht verletze.
Vilimsky: Wenn man nicht darüber entscheiden darf, dass man schwerst Kriminelle außer Landes bringt, dann zweifle ich am Völkerrecht.

ÖSTERREICH: Ist das Schweizer Thema für das geplante FPÖ-Volksbegehren interessant?
Vilimsky: Selbstverständlich ist das Thema „Abschiebung krimineller Ausländer“ auch für unser Volksbegehren im Frühjahr ein Thema.

ÖSTERREICH-Interview mit Peter Pilz
ÖSTERREICH: Herr Pilz, wie beurteilen Sie diese Initiative? 

Peter Pilz: Mit diesem durchgeknallten Populismus positioniert sich die Schweiz außerhalb des europäischen Grundrechtesystems.

ÖSTERREICH: Könnte das politische Folgen haben?
Pilz: Auf jeden Fall. Und dann sehen die Populisten, wie sie dem Land schaden. Es ist ja problematisch, wenn künftig Rumänien höhere Menschenrechtsstandards hat als die Schweiz.

ÖSTERREICH: Ist so ein Szenario auch hier denkbar?
Pilz: Denkbar wäre, dass man alle straffällig gewordenen FPÖler aus Österreich ausweist. Dann gäbe es nämlich bald keine FPÖler mehr im Land.

Maria Jelenko


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