SP-Chef Christian Levrat spricht von einem "Waterloo für die Rechte".
Eine klare Absage haben die Eidgenossen am Sonntag einer Rentensenkung beschert. Die Befürworter legten die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die unsicheren Prognosen für die Renditen aus dem angelegten Kapital in die Waagschale, doch davon wollte die Bevölkerung nichts wissen. 72,7 Prozent stimmten für das Referendum gegen die Kürzung, ergab die Abstimmung. Die Stimmbeteiligung betrug 44,9 Prozent.
Die Linke zeigte sich hocherfreut über das deutliche Resultat. SP-Präsident Christian Levrat (Sozialdemokraten) sprach gar von einem "Waterloo für die Rechte" und sagte gegenüber dem Schweizer Radio DRS, die Bevölkerung habe die Arroganz der Manager und Abzocker satt.
"Sachliche Diskussion erschwert"
Schweizer Medien
zufolge richtet sich das klare Nein vor dem wirtschaftlichen Umfeld mit
Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Diskussionen um Lohn- und Bonus-Exzessen
denn auch gegen die Versicherungslobby. Der von den Gegnern ins Feld
geführte "Rentenklau" betreffe insbesondere den "zweiten Kuchen", wie das
Informationsportal www.swissinfo.ch schreibt: die Verwaltungskosten, die
Gewinne der Pensionskassen und die Löhne und Honorare ihrer Manager und
Berater.
Das Problem der zweiten Säule sei mit dem wuchtigen Nein nicht vom Tisch, klingt es aus dem Lager der Abstimmungsverlierer mit dem Bundesrat (Regierung), der Parlamentsmehrheit, den Bürgerlichen und den Wirtschaftsverbänden. FDP-Präsident Fulvio Pelli (Freisinnige) erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur sda: "Damit haben sie (die Gegner) eine sachliche Diskussion erschwert und die Sicherung der Altersvorsorge in den Hintergrund gedrängt."
Gegen Tierschutzanwälte
Den Reformbedarf bei der beruflichen
Vorsorge, den sogenannten "Pensionskassen", leugnet indes auch Levrat nicht.
Er setzt jedoch nicht auf Kürzungen, sondern auf mehr Transparenz,
insbesondere bei den Verwaltungskosten. Er formulierte am Sonntag bereits
die Idee eines Pensionskassenüberwachers, analog zum bestehenden
Eidgenössischen Preisüberwacher. Bei einem Nein zum Referendum
wäre die Rentensenkung moderat ausgefallen: Der Umwandlungssatz für die
berufliche Vorsorge (BVG) von derzeit angestrebten 6,8 Prozent hätte auf 6,4
Prozent zurückgenommen werden sollen. Das heißt, pro 100.000 CHF (rund
68.327 Euro) angespartem Alterskapital würden jährlich 400 CHF weniger
Pension ausbezahlt.
Zusammen mit der staatlichen AHV/IV (Alters- und Hinterbliebenenversicherung/ Invalidenversicherung) bildet die berufliche Vorsorge den obligatorischen Teil der Schweizer Altersvorsorge. Neben diesen beiden Säulen gibt es noch die freiwillige dritte Säule. In zwei weiteren nationalen Abstimmungen votierten die Schweizer am Sonntag gegen eine Initiative zur Einführung von Tierschutzanwälten in allen Kantonen und für einen Verfassungszusatz zur Landesweiten Vereinheitlichung von Forschung am Menschen. In verschiedenen Kantonen fanden zudem Regierungs- und Parlamentswahlen sowie regionale Abstimmungen statt.