Unglaublich, aber wahr: die mit Spannung erwartete Rede des US-Präsidenten war wohl nicht so spannend.
Mit Joshua Trump hat US-Präsident Donald Trump einen jungen Namensvetter zu seiner Rede zur Lage der Nation eingeladen - weil der Bub wegen seines Nachnamens in der Schule gemobbt werde. Der Sechstklässler aus Wilmington im US-Bundesstaat Delaware möge Naturwissenschaften, Kunst und Geschichte, schreibt das Weiße Haus in einem Kurzporträt des Buben.
Er liebe außerdem Tiere und wolle sich später auch beruflich mit Tieren beschäftigen. Sein "Held und bester Freund" sei sein Onkel Cody, der in der US-Luftwaffe dient. "Leider ist Joshua wegen seines Nachnamens in der Schule gemobbt worden", heißt es dann in der Beschreibung des Weißen Hauses. "Er ist der First Lady und der Familie Trump für ihre Unterstützung dankbar."
Und am Dienstag war es dann so weit. Trump hielt seine mit Spannung erwartete Rede zu Lage der Nation und Joshua durfte dabei sein. Nicht angespannt, dafür sehr entspannt saß der kleine Trump dort - vielleicht sogar zu entspannt. Denn prompt fielen dem Sechstklässler die Augen zu. Auf Twitter amüsierte dieser Umstand natürlich Tausende User und sorgte für Lacher.
Trump beharrt auf seine Mauer
In seiner Rede zur Lage der Nation hat der US-Präsident seine politischen Prioritäten betont, ohne große wirtschaftliche Initiativen vorzustellen. Ungeachtet des anhaltenden Widerstandes der Demokraten forderte er am Dienstagabend erneut den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko.
"Mauern funktionieren und Mauern retten Leben", rief er den versammelten Abgeordneten beider Kongresskammern zu. "Ich bekomme sie gebaut." Führende Demokraten wiesen dies umgehend zurück. In der Rede und den Reaktionen darauf waren erste Anzeichen auf den Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2020 zu spüren.
Die jährliche Rede des Präsidenten vor dem Kongress stand seit Wochen im Zeichen des Streits zwischen Trump und den Demokraten über den Bau der Mauer. Die Demokraten hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen und können damit Gesetzesvorhaben des Republikaners blockieren. Trumps Ansprache im Plenum der Kammer war wegen des längsten Regierungsstillstands in der Geschichte der USA um eine Woche verschoben worden. Auslöser war ein Budgetstreit wegen der Finanzierung der Mauer. Trump will dafür 5,7 Milliarden Dollar (4,99 Mrd. Euro) vom Kongress zugesprochen bekommen. Der Streit wurde zunächst mit einem Zwischen-Etat überbrückt, der allerdings nur bis zum 15. Februar läuft.
In seiner Rede rief Trump die Abgeordneten auf, sich bis dahin zu einigen. Die illegale Einwanderung in die USA habe das Ausmaß einer "dringenden nationalen Krise" erreicht. Er plädierte für ein neues Einwanderungssystem, das sicher und modern sei. Einen nationalen Notstand, um bei der Finanzierung den Kongress umgehen zu können, rief Trump jedoch nicht aus. Die Demokraten wiesen die Darstellung der Lage in ihrer Erwiderung zurück. "Nicht Mauern, sondern die Anwesenheit von Einwanderern macht Amerika sicher", sagte die Demokratin Stacey Abrams.
Trump warnte die Demokraten zudem davor, mit Untersuchungen die US-Wirtschaft in Gefahr zu bringen. "Ein Wirtschaftswunder findet in den USA statt." Nur dumme Kriege und Politik oder "lächerliche parteiische Ermittlungen" könnten das aufhalten. Die demokratische Abgeordnete Val Demings erteilte der Forderung nach einem Ende der Untersuchungen etwa in der Russland-Affäre umgehend eine Absage: "Wir hören nicht auf." Trump kündigte zudem ein neues Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un Ende Februar an. Im Handelsstreit mit China warf er der Volksrepublik erneut den Diebstahl geistigen Eigentums vor.
Trumps schärfste Widersacherin, die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, verfolgte Trumps Rede meist mit versteinertem Gesicht. Sie und andere weibliche Abgeordnete der Demokraten waren weiß gekleidet, um an das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts in den USA zu erinnern.
An den Aktienmärkten löste Trumps Rede zunächst keine größeren Reaktionen aus. Der Chefinvestment-Stratege Tim Ghriskey von Inverness Council sprach von einer "faden Kost" ohne spezifische Inhalte.
In der Rede und den Reaktionen mischten sich Vorboten des Präsidentschaftswahlkampfs 2020. Trump baute einen Seitenhieb auf den linken Flügel der Demokraten ein, der aus der Zwischenwahl im November gestärkt hervorgegangen war: "Heute bekräftigen wir unsere Entschlossenheit, dass die USA niemals ein sozialistisches Land werden." Eine der bekanntesten neuen Vertreterinnen der linken Demokraten Alexandria Ocasio-Cortez, die sich selbst als "democratic socialist" beschreibt, reagierte darauf mit einem Lächeln. Sie fordert eine Reichensteuer von 70 Prozent.
Etwa zehn Demokraten haben bisher angekündigt, für 2020 in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur einsteigen zu wollen, weitere dürften in den kommenden Wochen und Monaten folgen. Der Republikaner Trump kann sich ebenfalls um eine zweite und letzte vierjährige Amtszeit bewerben. Der Bau der Mauer zu Mexiko war eins seiner wichtigsten Wahlversprechen.