Ein fataler Irrtum kostete mehrere Menschen auf der kleinen Insel das Leben.
Die Bewohner der kleinen Pazifikinsel Robinson Crusoe spürten am frühen Samstagmorgen ein leichtes Beben. Es waren nur einige Erdstöße, so leicht, dass sie kaum wahrgenommen wurden. Die meisten Menschen schliefen einfach weiter. Am Vormittag erfuhren die Inselbewohner dann aus den Medien, welche Zerstörungen das Beben auf dem chilenischen Festland angerichtet hatte. Die Behörden der Insel erwarteten jeden Augenblick die Warnung vor einem Tsunami. Aber die Warnung kam nicht.
"Alles verschwand einfach"
Als das Meer dann immer
höhere Wellen schickte, blieb dem Bürgermeister nur noch, mit Sirenengeheul
vor der Gefahr zu warnen. Aber nicht alle hörten die Warnung rechtzeitig.
Ein Teil der 629 Einwohner der Siedlung Juan Bautista flüchteten im letzten
Augenblick in höher gelegene Gebiete. Ihr Hab und Gut mussten sie
zurücklassen, retten konnten sie nur, was sie gerade auf dem Leib hatten.
Fünf Menschen schafften es nicht mehr rechtzeitig. Ihre Leichen wurden
später gefunden. Weitere 14 Menschen werden vermisst.
Eine meterhohe Welle riss alles fort, was sich ihr in den Weg stellte. "Alles, was sich in Küstennähe befand, verschwand einfach", sagte der Pilot Fernando Avaria nach einem ersten Überflug. Die Kirche, der Friedhof, die einzige Schule, ein Sportplatz, Pensionen und auch das Bürgermeisteramt wurden dem Erdboden gleich gemacht. "Es war wirklich erschütternd, wie eine Szene aus einem Horror-Film. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ein solches Unglück über uns kommen würde", sagte die Inselbewohnerin Margot Salas.
Dreimal von Fluten mitgerissen
Alberto Recabarren (40) überlebte
das Unglück. Er lag zwei Stunden unter den Trümmern seines Hauses. "Ich
wurde mindestens dreimal von den Fluten mitgerissen. Dann konnte ich mich an
einen Brombeerstrauch klammern", erzählte der Mann. Ein anderer Zeuge der
Tragödie, der Biologe Ismael Caceres, konnte sich einen Berghang hinauf
retten. Seine künftige Ehefrau schaffte es nicht und starb. "Das war ein
vermeidbares Unglück", sagte der Vater des Biologen, Fernando Caceres,
bitter.
Warum die Warnung vor dem Tsunami nicht kam, ist ungeklärt. Am Samstag - nur drei Stunden nach dem Beben - hatten die Behörden die Möglichkeit eines Tsunami ausgeschlossen. Viele Menschen, die bei einer rechtzeitigen Warnung hätten fliehen oder mehr Hab und Gut in Sicherheit bringen können, wähnten sich deshalb in trügerischer Sicherheit. Wer die Schuld an dem fatalen Fehler hat, darüber streiten das Zentrum für Katastrophenschutz und die Marine.
Mehrere Meter statt 18 Zentimeter
"Zunächst erhielten wir von der
Marine die Information, dass es keinen Tsunami geben werde. Dann hieß es,
eine 18 Zentimeter hohe Welle werde auf die Insel treffen. Tatsächlich war
sie später dann mehrere Meter hoch", sagte die Leiterin des
Katastrophenschutzamtes Carmen Fernandez. Diese Darstellung wurde von
Verteidigungsminister Francisco Vidal bestätigt. "Dies ist die Wahrheit,
auch wenn sie schmerzt: Der Marine ist ein Fehler unterlaufen." Die
Regierung versprach den Inselbewohnern inzwischen Hilfe beim Wiederaufbau.