Kämpfe

Türkei tritt in offenen Konflikt mit IS

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Luftangriffe auf Stellungen in Syrien - Mindestens neun IS-Anhänger getötet.

Nach der tödlichen Gewalt im Grenzgebiet hat die türkische Luftwaffe erstmals Stellungen der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien bombardiert. Mehrere Kampfjets flogen am frühen Freitagmorgen Angriffe auf syrischem Gebiet und trafen nach Regierungsangaben mehrere Stellungen der Extremisten. Damaskus kritisierte das militärische Eingreifen der Türkei in Syrien.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, dass bei der Bombardierung durch das türkische Militär mindestens neun IS-Anhänger getötet worden seien. Bei landesweiten Razzien in der Türkei gegen mutmaßliche Mitglieder des IS und der in dem Land verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gab es zudem fast 300 Festnahmen, wie es aus Ankara hieß.

Die Angriffe des türkischen Militärs auf syrisches Territorium nahe der südtürkischen Stadt Kilis fanden vor 04.00 Uhr in der Früh statt, wie das Büro von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu mitteilte. Die drei türkischen F-16-Kampfflugzeuge seien anschließend unbeschadet auf den südlichen Stützpunkt Diyarbakir zurückgekehrt.

Alle angegriffenen IS-Ziele seien zerstört worden, sagte Davutoglu am Freitag. Zugleich drohte er mit weiteren Schlägen: "Die Türkei wird gegen jede auch nur kleinste bedrohliche Bewegung aufs Härteste reagieren". Er warnte: "Wer uns Schaden zufügt, muss den zehnfachen Preis zahlen." Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle wurden bei den Luftangriffen mindestens neun IS-Kämpfer getötet und zwölf weitere verletzt. Zuvor hatte die türkische Nachrichtenagentur Dogan von 35 getöteten IS-Extremisten berichtet, ohne jedoch eine Quelle zu nennen. Die Menschenrechtsbeobachter sitzen in Großbritannien und stützen sich bei ihren Angaben auf ein Netz von Informanten in Syrien.

Die Türkei sei "entschlossen", alle Vorkehrungen zur Verteidigung der nationalen Sicherheit zu treffen, erklärte die Regierung. Zudem gestattet Ankara nun die Nutzung des NATO-Luftwaffenstützpunktes Incirlik im Süden der Türkei für US-Kampfeinsätze gegen den IS. Damit können die USA die Hochburgen des Islamischen Staates im Norden Syriens wesentlich schneller und effektiver angreifen. Laut "New York Times" wurden die Angriffe unter anderem bisher von Jordanien, vom Irak oder von den Golfstaaten aus geflogen. Außerdem könnten sie von Incirlik aus auch Kampfhubschrauber gegen den IS einsetzen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte die Vereinbarung, von der zuerst in US-Regierungskreisen die Rede gewesen war, am Freitag. Der Stützpunkt könne "in einem gewissen Rahmen" genutzt werden, sagte Erdogan. Einzelheiten nannte er allerdings nicht. Laut einem Bericht der Zeitung "Hürriyet" sieht das Abkommen auch die Einrichtung einer 90 Kilometer großen Flugverbotszone zwischen den syrischen Städten Marea und Jarabulus vor.

Die syrische Regierung kritisierte die Angriffe der Türkei gegen IS-Kämpfer in Syrien. "Syrien kann auf seinem Boden keine türkische Aktion akzeptieren", sagte Vize-Außenminister Faisal al-Mekdad am Freitag nach Angaben der regierungstreuen Nachrichtenseite Al-Watan. Die Türkei müsse die Souveränität Syriens respektieren.

Es war das erste Mal, dass die türkische Armee Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien flog, seit die Jihadisten im Sommer vergangenen Jahres weite Teile des Landes im Eiltempo erobert hatte. Bereits am Donnerstag hatten türkische Panzer Stellungen der Extremisten im Nachbarland beschossen.

Die Türkei beteiligte sich bisher nicht an den US-geführten Luftangriffen gegen den IS in Syrien. Der offizielle Grund für den nunmehr offenen Konflikt mit dem IS ist vor allem der folgenschwere Anschlag im südtürkischen Suruc, bei dem am Montag 32 Menschen getötet wurden. Der Selbstmordanschlag wird von der Regierung in Ankara dem IS zugeschrieben. Am Donnerstag hatten die IS-Jihadisten offenbar von Syrien aus zudem einen türkischen Soldaten erschossen. Zwei Polizisten wurden erschossen in ihrem Haus in der Grenzstadt Ceylanpinar aufgefunden. Zu dieser Tat bekannte sich der bewaffnete Arm der PKK.

Mit landesweiten Anti-Terror-Razzien gingen die türkischen Behörden daher am Freitag in der Früh in 13 Provinzen gegen mutmaßliche Extremisten vor. Insgesamt wurden 297 Menschen wegen Terrorvorwürfen festgenommen, wie Davutoglu sagte. Außer gegen den IS und die PKK richteten sich die Razzien auch gegen die PKK-Jugendorganisation (YDG-H) sowie gegen die marxistische Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C).

Berichten zufolge wurden allein in Istanbul 140 Adressen aufgesucht. Ein weibliches Mitglied der DHKP-C wurde laut der Nachrichtenagentur Anadolu bei einer Schießerei mit Polizisten in Istanbul getötet.

Die Denkfabrik Soufan Group in New York schrieb, die sunnitische Türkei habe den sunnitischen IS lange relativ unbehelligt gelassen, weil sie ihn als nützlichen Gegner des Regimes von Bashar al-Assad in Syrien angesehen habe. Aber IS-Jihadisten habe kaum die Assad-Armee, sondern meist andere, von der Türkei unterstützte Rebellen bekämpft.

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