Im Interview

Brigadier Eder: 'Der Krieg endet früher, wenn sich die USA und Russland einigen'

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Bundesheer-Experte Brigadier Philipp Eder leitet die Abteilung Militärstrategie im Verteidigungsministerium. Im INSIDER-Interview spricht er  zum Ukrainekrieg.

Insider: Herr Briga­dier, wie lange dauert dieser Krieg noch?
Brigadier Philipp Eder: Der Krieg wird so lange dauern, wie der russische Präsident glaubt, seine Kriegsziele erreichen zu können. Das kann Monate oder Jahre dauern.

Insider: Will Putin mehr als die Ukraine? Wird er Moldau oder das Baltikum angreifen?
Eder: Kurz- bis mittelfristig wird er am Boden nicht angreifen, dazu fehlen ihm die militärischen Mittel. Wenn er den Krieg in der Ukraine gewinnt und langfristig seine Arsenale auffüllt, sind Angriffe auf weitere Länder möglich.

Insider: Geht einer der beiden Seiten bald die Munition aus?
Eder: Für beide Seiten wird es eng. Russland hat auf Kriegsproduktion umgestellt, aber wegen der westlichen Sanktionen (Anm.: etwa im Hightech-Sektor) Probleme.

Insider: Und die Ukraine?
Eder: Die ist völlig von westlichen Waffenlieferungen abhängig. Das eigene Kriegsmaterial und dann die Waffenlieferungen mit Sowjetgerät aus den Ländern des früheren Warschauer Pakts sind großteils zerstört.

Insider: Artilleriemunition soll knapp sein ... Im Westen ...
Eder: Niemand hat in den letzten 30 Jahren gedacht, dass ein konventioneller Krieg zwischen Staaten in Europa in solcher Intensität wieder geführt wird. Kriege in Afghanistan oder Irak hatten keinen so starken Artil­lerie-Einsatz. Das gab es zuletzt im Korea-Krieg oder im 2. Weltkrieg. Jetzt muss die Munitionsproduktion im Westen verstärkt werden.

Insider: Würden Kampfflugzeuge Kiew helfen? Oder die totale Eskalation bringen?
Eder: Helfen würden sie gewiss. Etwa um die russische Artillerie zu zerstören, die derzeit von der Ukraine ihrerseits nur mit Artillerie angegriffen wird. Eine größere Eskalation erwarte ich dadurch nicht. Als größere Eskalation wäre nur mehr ein russischer Nuklear-Schlag zu betrachten. Aber der ist durch den Einsatz von Kampfflugzeugen nicht gerechtfertigt. Jedoch: Der Betrieb der westlichen Kampfjets ist sehr komplex. Es würde lange dauern, bis Kiew Flieger einsetzen kann.

Insider: Beschreiben Sie einen aktuellen Kriegsschauplatz ...
EDER: In Bachmut im Osten tobt der Krieg schon seit Sommer. Hier sind die Fronten recht zufällig von beiden Seiten zum Stehen gekommen. Bachmut ist eine für ukrainische Verhältnisse kleinere Industriestadt. Vor dem Krieg lebten dort 70.000 Einwohner. Bachmut ist recht weitläufig. Die Ukrainer verschanzen sich dort, die Russen schicken erbarmungslos Welle nach Welle von Soldaten in den Ortskampf.

Insider: Ist eine diplomatische Lösung möglich?
Eder: Zwei Monate vor dem Kriegsausbruch stellte Russland Forderungen an die USA und die NATO. Sie wollten eine neue Friedensordnung in Europa, u.a. mit Rücknahme der NATO-Osterweiterung und Beendigung der Beitrittsperspektiven der Ukraine und Georgiens zur NATO. Diese Forderungen wollten sie aber nur im Paket behandeln und so waren sie unannehmbar für die USA und die NATO-Mitgliedstaaten. Putin schritt dann zu in seinen Forderungen bereits angedrohten „militärisch-technischen Mitteln“, wie er es nennt.

Insider: Friedensverhandlungen in der Ukraine alleine sind aussichtslos?
Eder: Meiner Meinung nach müssen sich die USA und Russland einigen. Das ist der Schlüssel zum Frieden. Auch wenn es scheint, als ob die Ukraine dann links liegen gelassen wird. Sie wird ja derzeit klar ersichtlich von den USA nicht im Stich gelassen.
 

Interview: A. Brüstle

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