Putin verkündete am Dienstag eine Aussetzung des letzten atomaren Abrüstungsabkommens mit den USA.
Moskau/Warschau. Seine mit Spannung erwartete Rede zum Jahrestag des Kriegsbeginns gegen die Ukraine durchzieht Kremlchef Wladimir Putin mit einem Feuerwerk an Vorwürfen gegen den Westen. Die USA und die NATO-Staaten selbst seien schuld an dem Krieg, behauptet der 70-Jährige am Dienstag in dem fast zweistündigen Auftritt in Moskau. Sie hätten es auf eine "strategische Niederlage" Russlands abgesehen mit dem Ziel, das Land zu zerstören.
Als eine Konsequenz der wachsenden Konfrontation verkündet Putin letztlich eine Aussetzung des letzten atomaren Abrüstungsabkommens mit den USA. Putins Ankündigung, das Abkommen über die atomare Rüstungskontrolle auszusetzen, sei zutiefst "unglücklich und unverantwortlich", sagte US-Außenminister Antony Blinken laut einer veröffentlichten Mitschrift in Athen - vor Bidens Rede in der polnischen Hauptstadt, wo der US-Präsident nach einem Blitzbesuch in Kiew eintraf.
Experte: Das war ''direkteste nukleare Drohung Putins''
Russland-Experte Gerhard Mangott (56) von der Uni Innsbruck sprach in einer ersten Analyse zu Putins Aussagen über Russlands Nukleardoktrin, dass dies heute die direkteste nukleare Drohung des Kremlchefs gewesen sei. "'Es geht nun um die staatliche Existenz Russlands'. Genau diese Formulierung steht in der Nukleardoktrin und wird als Bedingung genannt, dass Russland Nuklearwaffen in einem konventionellen Krieg einsetzt", schreibt der Politikwissenschaftler auf Twitter.
Jedenfalls war das heute die direkteste nukleare Drohung Putins. "Es geht nun um die staatliche Existenz Russlands". Genau diese Formulierung steht in der Nukleardoktrin und wird als Bedingung genannt, dass Russland Nuklearwaffen in einem konventionellen Krieg einsetzt.
— Gerhard Mangott (@gerhard_mangott) February 21, 2023
Mangott erklärt weiter, dass Inspektionen und der Austausch in der Bilateralen Konsultationsabkommen, die im Abrüstungsvertrag festgelegt sind, bereits seit geraumer Zeit nicht mehr möglich gewesen waren. "Nunmehr wird auch der Datenaustausch und die Notifikationen nicht mehr möglich sein", erklärt Mangott. "Die 'Kompartmentalisierung', d.h. die Praxis, trotz belasteter Beziehungen in bestimmten Bereichen trotzdem eng zusammenzuarbeiten, ist nun Geschichte", so der Russland-Experte.
Putin sagt in seiner Rede auch, dass Russland selbst Atomwaffentests durchziehen werde, sollten dies die USA tun.
Putins zutiefst antiwestliche Rede
Immer wieder bekommt der Kremlchef für seine zutiefst antiwestliche Rede Applaus; mehrfach erheben sich die Hunderten Gäste im Gostiny Dwor in Kremlnähe von ihren Sitzen für Ovationen. "Es sind sie (im Westen), die den Geist aus der Flasche gelassen und ganze Regionen ins Chaos gestürzt haben", sagt Putin mit Blick auf die Ukraine, aber auch auf andere Konflikte in der Welt.
Sollte der "New Start"-Vertrag nun enden, wäre damit einer der noch verbliebenen wenigen Kontakte zwischen Russland und den USA zerstört. Die Aussetzung von "New Start" begründet Putin vor allem damit, dass etwa Frankreich und Großbritannien ihre Atomwaffenarsenale weiter entwickelten und die Nuklearpotenziale gegen Russland ausrichten würden. Putin wertet auch Äußerungen der NATO zu "New Start" als Einmischung und Grund, den Vertrag zu überdenken.
Der Abrüstungsvertrag "New Start" ist das einzige noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1.550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.