Politikwissenschafter Masala: "Auf dem Schlachtfeld werden die Voraussetzungen für Verhandlungen geschaffen"
Der Politikwissenschafter Carlo Masala rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg letztlich am Verhandlungstisch beendet werden wird. "Auf dem Schlachtfeld werden die Voraussetzungen für Verhandlungen geschaffen. Das ist mein Punkt", sagte der Militärexperte von der Universität der Bundeswehr in München in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgeschlossen habe, werde ihn letztlich nicht davon abhalten. "Militärisch lässt sich der Konflikt nicht in dem Sinne lösen, dass die ukrainische Armee den letzten russischen Soldaten von ukrainischem Territorium vertreibt", sagte Masala. "Das wird nicht funktionieren. Also von daher: Wenn es die Möglichkeit für Verhandlungen ohne russische Vorbedingungen gibt, ist Selenskyj derjenige, der auch am Verhandlungstisch sitzen wird." Putin werde seinerseits Verhandlungen beginnen, wenn er zu der Überzeugung gelange, dass es ihm mehr schaden als nützen würde, den Krieg fortzusetzen.
Punkt noch nicht erreicht
Dieser Punkt sei jetzt allerdings noch nicht erreicht, betonte Masala, der sich schon früh für die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ausgesprochen hatte. "Wenn wir jetzt nur mal auf die nächsten Monate schauen, da wird die entscheidende Frage sein, ob es den Ukrainern gelingt, die südliche von der östlichen Front zu trennen, da also einen Keil reinzutreiben. Das wäre ein schwerer Schlag für die Russen, weil dann auch die Krim unter Druck käme."
Die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff hat sich unterdessen gegen die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Das Risiko einer Eskalation sei zu hoch, sagte die Leiterin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt/Main, der dpa. "Wir reden hier ja über Kampfflugzeuge, die dafür da sind, Bomben über feindlichen Stellungen abzuwerfen. Und diese Stellungen, von denen aus die Raketen auf die Ukraine abgefeuert werden, liegen mittlerweile vor allem auf russischem Territorium. Das heißt also: Wenn diese Flugzeuge für die Ukraine überhaupt sinnvoll sein sollen, dann müssen sie auf russisches Territorium und dort Stellungen ausschalten. Und dann ist die Frage: Was macht Putin dann?" Solche Angriffe würden nicht unbemerkt von der russischen Öffentlichkeit erfolgen und könnten die Hardliner, die schon jetzt den Einsatz taktischer Atomwaffen forderten, weiter stärken.
Zudem stehe die Frage im Raum, was geschehe, wenn ein solches Kampfflugzeug im Einsatz beschädigt werde. Dann sei eine Wartung erforderlich, die aber derzeit nur außerhalb der Ukraine erfolgen könne. Und dann würde das Flugzeug anschließend von dort aus - vermutlich von NATO-Gebiet aus - zu seinem nächsten Einsatz starten. "Das könnte Putin tatsächlich als Kriegseintritt der NATO werten. Letztlich kann das niemand sagen, aber ich befürchte, dass der Vorteil, den die Flugzeuge der Ukraine jetzt bringen würden, möglicherweise zu teuer erkauft würde." Dennoch solle keine Waffenkategorie kategorisch ausgeschlossen werden, allein schon, um Putin weiter unter Druck zu setzen.