Die Reise dient der Sicherung von Europas größtem Atomkraftwerk, das im Krieg zwischen Russland und der Ukraine immer wieder unter Beschuss gerät.
Kiew (Kyjiw)/Moskau. Die Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hat das AKW Saporischschja erreicht. Das berichtet die ukrainische Atombehörde Enerhoatom am Donnerstag auf ihrem Telegram-Kanal. Die Reise dient der Sicherung von Europas größtem Atomkraftwerk, das im Krieg zwischen Russland und der Ukraine immer wieder unter Beschuss gerät.
Ein Reuters-Reporter berichtet, der große Konvoi sei unter massiver Präsenz russischer Truppen in der Anlage eingetroffen. Kurz vorher waren in der Umgebung erneut Kämpfe ausgebrochen. Ukrainer und Russen gaben sich gegenseitig die Schuld. Einer von zwei noch betriebenen Reaktoren des AKW wurde nach Angaben des ukrainischen Betreibers Energoatom nach russischem Beschuss heruntergefahren.
"Beschuss aus Granatwerfern zu hören"
"Seit fünf Uhr früh ist Beschuss aus Granatwerfern zu hören", schrieb der geflohene ukrainische Bürgermeister von Enerhodar, Dmytro Orlow, am Donnerstag auf Telegram. Mehrere zivile Objekte seien getroffen worden, es gebe auch Tote. Der Vertreter der russischen Besatzer, Wladimir Rogow, teilte dagegen auf Telegram mit, Enerhodar, Standort des AKW, werde seit den frühen Morgenstunden von ukrainischer Artillerie beschossen. Das russische Verteidigungsministerium meldete, ein versuchter Angriff ukrainischer Truppen auf das AKW sei abgewehrt worden.
Außenminister Sergej Lawrow versicherte, Russland tue alles, damit das AKW Saporischschja sicher betrieben werden könne.
Enerhodar ist nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur TASS ohne Strom. Der von den russischen Besatzern eingesetzte Verwaltungsangestellte Alexander Wolga habe erklärt, in der Stadt gebe es kein Licht.
Die Atom-Experten mit IAEA-Chef Grossi an der Spitze sollen überprüfen, in welchem Zustand die Anlage mit ihren sechs Reaktoren ist, unter welchen Bedingungen die ukrainische Bedienungsmannschaft arbeitet, ob alles Nuklearmaterial noch vorhanden ist. In dem AKW befinden sich russische Soldaten. Die Anlage und ihre Umgebung sind in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden, wobei Russen und Ukrainer sich gegenseitig die Schuld zuschieben. International gab es große Sorge vor Schäden am Werk und einem Austritt von Radioaktivität.
Zunehmende militärische Aktivitäten rund um die Anlage
Grossi erklärte kurz vor seinem Aufbruch zum AKW, er erwäge eine längere Präsenz. Es gebe zwar zunehmende militärische Aktivitäten rund um die Anlage, wenn man aber alle Argumente abwäge und da man schon so weit gekommen sei, werde man jetzt die geplanten Kontrollen nicht abbrechen.
Zuvor teilte der ukrainische AKW-Betreiber Energoatom mit, die Mitarbeiter seien Repressionen durch die russischen Besatzer ausgesetzt. Mehrere Mitarbeiter, die den Russen gegenüber nicht wohlgesonnen seien, seien verschwunden.
Das Internationale Rote Kreuz hat Russland und die Ukraine zu einem Ende der Kämpfe in der Nähe des Atomkraftwerks aufgefordert. "Es darf keine Kämpfe in, um, in Richtung und aus derartigen Einrichtungen wie dem AKW heraus geben", sagte der Leiter der Organisation, Robert Mardini, Journalisten am Donnerstag in Kiew. Bei einem "massiven Zwischenfall" in Europas größtem Kraftwerk im Süden der Ukraine gäbe es "nur noch wenig, was irgendjemand tun kann".