Litwinenko-Witwe:

Westliche Untätigkeit ließ Putin weitermachen

Teilen

Marina Litwinenko iist überzeugt, dass Putin den Giftmord an ihrem Gatten anordnete 

Obwohl es bereits vor dem Mord an ihrem Gatten Alexander Litwinenko 2006 deutliche Anzeichen gegeben habe, in welche Richtung sich Putins Russland entwickeln würde, habe man im Westen lange nicht reagieren wollen, klagt Litwinenkos Witwe Marina im APA-Gespräch. Ihr Schicksal ist demnächst nicht nur Gegenstand einer britischen TV-Serie, sondern auch des Theaterstücks "Extrem teures Gift", das am 10. Dezember im Burgtheater-Kasino in Wien seine deutschsprachige Premiere feiert.

Dass es zwischen der Ermordung ihres Mannes mit radioaktivem Polonium im November 2006 in London und der angriffigen Münchner Rede Wladimir Putins im Februar 2007 eine Verbindung gebe, könne sie zwar nicht beweisen, erklärte Marina Litwinenko der APA am Rande einer Podiumsdiskussion im Wiener Burgtheater. Sie gehe aber von einem Zusammenhang aus: Da alle damals geschluckt hätten, dass Putin einen Akt von nuklearem Terrorismus in einem europäischen Staat gesetzt habe, habe das für ihn bedeutet, dass er weitermachen könne.

In England habe sie Widerstände überwinden müssen und noch 2013 seien ihr die schließlich 2015 durchgeführten öffentlichen Anhörungen zur Causa aktiv versagt worden, schilderte Litwinenko. "Ich habe verstanden, dass nach 2010 Menschen mit russischen Namen zu wichtigsten Sponsoren der konservativen Partei avancierten", erzählte sie. 2013 habe deshalb niemand ein Interesse gehabt, mit Russland zu streiten und es habe besondere Freundschaften sowie Geschäftsbeziehungen gegeben.

Putin soll Mord angeordnet haben

Sie selbst gehe davon aus, dass Wladimir Putin seinerzeit den Mord an ihrem Gatten angeordnet habe, bekräftigte die Witwe: Dass es in dieser Frage eine formale Entscheidung im Sicherheitsrat der Russischen Föderation gegeben habe, glaube sie jedoch nicht. Auch habe niemand explizit dies schriftlich anordnen müssen - die Phrase "Ich habe von diesem Litwinenko genug" hätte gereicht, erläuterte Marina Litwinenko. Als Mordmotiv seien in öffentlichen Anhörungen sieben oder acht mögliche Erklärungen genannt worden, was den konkreten Ausschlag gegeben habe, sei unklar, betonte sie.

Die Aufführung eines Theaterstücks über den Fall sei für sie eine "gewisse Form der Rechtssprechung": "(Der der Ausführung des Mordauftrags verdächtigte, Anm.) Andrej Lugowoj wurde noch nicht verurteilt. Aber jedes Mal, wenn dieses Stück aufgeführt wird, ist das der Beweis, dass er ein Verbrecher ist", sagte sie. Mit Hilfe ihrer persönlichen Familiengeschichte sollten Menschen zudem verstehen, dass es in Russland nicht so weiter gehen dürfe. Erfreut zeigte sie sich an einem wachsenden Interesse: Abgesehen von "Extrem teures Gift", das nach London und Prag nun auch in Wien zu sehen sein wird, komme sie mit Alexander auch in Peter Morgans aktuellem Theaterstück "Patriots" vor und zudem laufe am 15. Dezember die vierteilige britische Fernsehserie "Litvinenko" an.

Die studierte Erdöl- und Erdgasingenieurin, die sich nach dem Studium jedoch insbesondere für Tanzsport interessierte, hat nach dem Tod ihres Mannes auch selbst ein Faible für Recherchen entwickelt - insbesondere auch in einer Causa mit österreichischen Bezügen. "Der nach Russland geflohene (Ex-Wirecard-Manager Jan, Anm.) Marsalek ist eine sehr interessante Person", sagte die 60-Jährige. Sie kenne den Österreicher zwar nicht persönlich, habe sich mit ihm jedoch als Amateurin beschäftigt, bevor es diesen Skandal gegeben habe. "Er hat in München diese Villa gekauft und dort irgendwie zu graben begonnen. Eine Freundin, die um die Ecke lebt, hat mich angerufen und gesagt: Bei uns läuft hier etwas Furchtbares", erzählte sie und schmunzelte.

Der ehemalige KGB- und FSB-Mitarbeiter Litwinenko war 2000 nach Großbritannien geflohen, wo mit dem in Ungnade gefallenen Multimillionär Boris Beresowski sowie mit westlichen Geheimdiensten zusammenarbeitete. Gleichzeitig erhob er öffentlich massive Vorwürfe gegen Putin und sein unmittelbares Umfeld. Insbesondere machte er den Inlandsgeheimdienst FSB für jene Terroranschläge in mehreren russischen Städten im September 1999 verantwortlich, die dem damaligen Premierminister Putin als Rechtfertigung für den Zweiten Tschetschenienkrieg dienen sollten.

Als Hauptverdächtige für die Ausführung des Mordes mit einem äußert schwer verfügbaren radioaktivem Gift gelten zwei russische Ex-Geheimdienstler, die alle Vorwürfe abstritten, für die britische Justiz jedoch nicht greifbar waren: Andrej Lugowoj wurde 2007 Parlamentsabgeordneter in Russland, das eigene Staatsbürger nicht ausliefert. Dmitri Kowtun starb laut offiziellen Angaben im Juni 2022 in einem Moskauer Krankenhaus an den Folgen einer Coronavirusinfektion.

(Redaktionelle Hinweise: Alternative Schreibweise: Litvinenko)

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.