Laut Stockholmer Friedensforschungsinstituts:

Moskau verfügt über knapp 6.000 Nuklearsprengköpfe

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Gemeinsam mit den USA (5.428) besitzt Russland mehr als 90 Prozent des weltweiten Nukleararsenals, heißt es im SIPRI-Jahrbuch 2022.

Kiew (Kyjiw)/Moskau/Wien. Dass Russland im Ukraine-Krieg seine Atomwaffen einsetzt, wird von Experten nicht ausgeschlossen. Denn nach den umstrittenen Referenden in den besetzten ukrainischen Gebieten wird erwartet, dass Präsident Wladimir Putin die Regionen als russisch anerkennt. Russland könne nach dem Beitritt der Gebiete zur Verteidigung Russlands "von allen uns zur Verfügung stehenden Waffensystemen Gebrauch machen", hatte Putin vergangene Woche erklärt.

Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) verfügt Russland über 5.977 Atomsprengköpfe. Gemeinsam mit den USA (5.428) besitzt Russland mehr als 90 Prozent des weltweiten Nukleararsenals, heißt es im SIPRI-Jahrbuch 2022.

Das Bulletin der Atomwissenschafter schätzt, dass Anfang 2022 der russische Bestand etwa 4.477 nukleare Sprengköpfe umfasste, die für den Einsatz auf strategischen Langstreckenraketen und taktischen Atomwaffen mit geringerer Reichweite vorgesehen sind. Zusätzlich gibt es etwa 1.500 ausgemusterter, aber noch weitgehend intakter Sprengköpfe.

1.588 strategische Sprengköpfe

Von den gelagerten Sprengköpfen sind ca. 1.588 strategische Sprengköpfe im Einsatz: circa 812 auf landgestützten ballistischen Raketen, ca. 576 auf U-Booten und möglicherweise 200 auf Basen schwerer Bomber. Weitere 977 strategische Sprengköpfe sind in Lagern untergebracht, zusammen mit etwa 1.912 taktischen Sprengköpfen.

Taktische Nuklearwaffen, auch nukleare Gefechtsfeldwaffen genannt, könnten ähnlich wie konventionelle Waffen zur Bekämpfung gegnerischer Streitkräfte eingesetzt werden. Der Vorteil dieser Waffe ist, dass sie mit Lkw schnell transportiert und vor Ort abgefeuert werden kann, wie der Leiter des ABC-Abwehrzentrums des Bundesheeres, Oberst Jürgen Schlechter, unlängst erklärte.

Die Bezeichnung "taktisch" kann aber missverstanden werden. Diese Waffen können nämlich "schwerste Zerstörungen anrichten und erhebliche Radioaktivität freisetzen", so Schlechter. Das Schadensausmaß sei abhängig von der Sprengkraft und der Detonationsart.

Radioaktives Erdmaterial in Atmosphäre mitverfrachtet

Bei einer Bodendetonation werde radioaktives Erdmaterial bis zu mehreren Kilometern Höhe in die Atmosphäre mitverfrachtet, welches dann abhängig vom Wind als "radioaktiver Niederschlag" wieder zu Boden falle und dort eine weitreichende Verstrahlung verursachen könne. Bei einer Luftdetonation entstehe ein "nuklearer Elektromagnetischer Impuls" (NEMP), der zu weitreichenden Zerstörungen elektronischer Systeme, vergleichbar mit einem Blackout, führen könne.

Die kleinste taktische Atomwaffe haben laut Schlechter eine Sprengkraft von circa 0,3 Kilotonne (kT). Die Spanne der Sprengkraft reiche hier bis zu ca. 200 kT. 1 Kilotonne entspreche einem Äquivalent von 1.000 Tonnen Sprengstoff Trinitrotoluol -TNT. Eine Nuklearwaffe mit 10 kT, vergleichbar mit der Hiroshima-Bombe, hätte zerstörerische "Primärwirkungen": Die Druckwelle und Hitzestrahlung würden bei einer Bodendetonation ein Gebiet von etwa ein bis zwei Quadratkilometer betreffen.

Österreich wäre von den Primärwirkungen eines Einsatzes taktischer Atombomben zwar nicht unmittelbar betroffen. Aber im Falle eines radioaktiven Niederschlages könnte es zur Verbreitung der radioaktiven Partikel kommen. Dies werde von den Experten am ABC-Abwehrzentrum in Korneuburg aufgrund der Wetterlage beurteilt. Auch eine eingeschleppte Kontamination durch Personen oder Fahrzeuge aus dem Gebiet, in dem sich radioaktiver Niederschlag ausgebreitet hat, sei möglich. Außerdem müsse mit einer Verstrahlung von Lebensmitteln und anderen Handelswaren gerechnet werden, so der Bundesheer-Experte.

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