Der Politologe Heinz Gärtner sieht angesichts der Entwicklungen rund um den Krieg in der Ukraine die Gefahr neuer Teilungen und einer Lage wie in Korea.
"Was sich jetzt abzeichnet, ist ein neuer Eiserner Vorhang, der wahrscheinlich schlimmer sein wird als der während des Kalten Krieges. Es zeichnet sich ein Cordon sanitaire ab von der Arktis bis zum Schwarzen Meer, der durch die Ukraine durchgeht", sagte Gärtner im Gespräch mit der APA.
Derzeit zeichne sich im Krieg weder ein Sieg der Ukraine ab, "wie sich das (Präsident Wolodymyr) Selenskyj wünschen würde, in dem alle russischen Truppen aus ukrainischem Gebiet vertrieben werden, noch zeichnet sich ein Sieg ab im Sinne von Russland, dass die Ukraine kapituliert". Eine Teilung würde dann so aussehen, "dass Russland die östlichen Teile und die Krim der Ukraine nicht aufgeben wird, die Truppen da belassen wird, und den Rest wird die Ukraine weiterhin mit westlicher Hilfe für sich beanspruchen. Und weiter im Norden ist es natürlich so, dass Schweden und Finnland der NATO beitreten wollen und dass sich da eine neue Blocklinie an der Ostflanke der NATO auftut."
Keine Verhandlungslösung in Sicht
Diese Linie würde sich dann durchziehen bis zum Schwarzen Meer und Belarus - "so wie die deutsch-deutsche Grenze oder die deutsch-tschechische Grenze im Kalten Krieg. Ich würde sogar sagen, noch schlimmer - es wird sich eher wahrscheinlich einpendeln auf eine Situation wie in Korea nach dem Korea-Krieg, mit einem permanenten Waffenstillstand, aber einer ständigen Spannung."
Natürlich würde man sich schon jetzt eine Verhandlungslösung wünschen. "Aber ich sehe das im Moment eher nicht (...), weil beide Seiten dazu nicht bereit sind und das Militär entscheidet, und das Militär wird sich festbeißen in einer Teilung, und die Teilung wird sich sozusagen verewigen."
Der russische Präsident Wladimir Putin habe den Krieg und "das Denken in Blöcken" wieder nach Europa gebracht. Man solle allerdings nicht "Putins Norm als Realität akzeptieren", unterstrich Gärtner. Putin habe "das Denken in der europäischen Sicherheitsarchitektur über Kooperation und gemeinsame Sicherheit schon sehr verändert. Das heißt nicht, dass man diese Gedanken aufgeben muss."
Was Europa tun könne, sei, "diese Teilung abzumildern, zu versuchen, dass die nicht eine völlige Isolierung beider Teile Europas wird, und Russland ist halt ein Teil Europas". Nach Ansicht des Experten könnte man "das M beider Teile Europas wird, und Russland ist halt ein Teil Europas". Nach Ansicht des Experten könnte man "das Modell von Helsinki 1975" ins Auge fassen. "Höhepunkt des Kalten Krieges, es hat heiße Kriege gegeben überall in der Dritten Welt, der Vietnam-Krieg war gerade zu einem Ende gekommen, und man hat gesagt, diese Spaltung Europas und diese Spannungen und diese Aufrüstungsprozesse, die es gibt, die muss man zumindest abmildern", so Gärtner.
Mechanismen innerhalb der OSZE
"Es ist schwer, wenn man weiß, Russland führt einen Krieg, eine Architektur mit Russland anzudenken, aber das wird wahrscheinlich für Europa notwendig sein, um nicht in einer permanenten Konfrontation zu leben." Gärtner schließt nicht aus, dass man für so einen Prozess nach dem Krieg "wieder Mechanismen innerhalb der OSZE" (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) finden werde, die "eine wichtige Organisation" sei.
Ein multilaterales Forum müsse aber multilateral bleiben, unterstrich der Politologe: "Es gibt keine Sicherheitsgespräche, wenn man nur mit Freunden redet. Man muss sich gerade auch mit denen auseinandersetzen, die man als nicht freundliche Staaten oder sogar feindliche Staaten einstuft. Wenn man Multilateralismus abschafft, dann bleibt nur mehr die Macht, dann spielt man wirklich Putins Spiel." Die Entscheidung der österreichischen Regierung, Visa für russische Parlamentarier zur Teilnahme an einer Tagung in Wien diese Woche zu erteilen, sei "ganz sicher" richtig gewesen.
Es könnte freilich auch sein, "dass es notwendig ist, ein Sicherheitsforum außerhalb der OSZE anzudenken, weil die OSZE zu sehr belastet ist", so Gärtner. Ein "zukünftiges Helsinki 1975" würde angesichts des angestrebten NATO-Beitritts Finnlands dann allerdings "nicht mehr Helsinki heißen, sondern könnte durchaus Wien sein".