Der Kreml-Chef telefonierte rund eine Stunde mit dem deutschem Kanzler.
Kreml-Chef Wladimir Putin hat sich in einem Telefongespräch mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz über die mangelnde Kompromissbereitschaft Kiews in den aktuellen Gesprächen mit Moskau beklagt. Kiew versuche, die Gespräche zu verlangsamen und mache auch "unrealistische Vorschläge", meldeten russische Nachrichtenagenturen. Putin habe sich auch über die "täglichen persönlichen Beleidigungen" von US-Präsident Joe Biden an seine Adresse beschwert.
Bidens Aussagen seien Ausfluss von "Irritation, Müdigkeit und Vergesslichkeit", sagte Putin in offenkundiger Anspielung auf das Alter des US-Präsidenten. Dieser hatte Putin einen Kriegsverbrecher und "mörderischen Diktator" genannt. Putin habe Scholz auch gesagt, dass nicht der deutsche Kanzler zu entscheiden habe, wer Russland anführe, sondern das russische Volk. Der Kreml-Chef nahm damit offenbar Bezug auf Scholz' Aussagen, wonach es sich bei der Aggression gegen das Nachbarland allein um den Krieg Putins handle.
Putin habe Scholz gesagt, dass Russland bereit sei, innerhalb seines "grundsätzlichen Ansatzes" nach einer Lösung zu suchen, so der Kreml. Was das bedeutet, war unklar. Bisher hatte Moskau eine Demilitarisierung und Neutralisierung des Nachbarlandes sowie eine Anerkennung der von Russland annektierten bzw. kontrollierten Gebiete zur Bedingung gemacht.
Scholz forderte Waffenstillstand
Aus Berlin hieß es zu dem Gespräch, dass Scholz Putin zu einem sofortigen Waffenstillstand und Fortschritten bei einer diplomatischen Lösung gedrängt habe. Das Telefonat habe knapp eine Stunde lang gedauert. Wie sowohl der Kreml als auch der Elysee-Palast mitteilten, war auch noch ein Telefonat Putins mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplant, der in den vergangenen Wochen mehrmals mit Putin telefoniert hatte.
Zuvor hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow die bekannten russischen Vorwürfe gegen den Westen bekräftigt. Russland habe jegliche Illusion verloren, dass es sich auf den Westen verlassen könnte, sagte Lawrow. Die Regierung in Moskau werde niemals eine Weltanschauung akzeptieren, die von den USA dominiert ist. Die USA wollten, dass die Welt wie ein Saloon aussehe, in dem die Amerikaner das Sagen haben. "Es gibt viele Länder, die nicht die Anweisungen von 'Uncle Sam' entgegennehmen wollen." Nicht Russland schlage die Tür zum Westen zu, der Westen tue das, sagte Lawrow. Zugleich betonte er, dass Russland seine Wirtschaft an die von zahlreichen Ländern verhängten Strafmaßnahmen wegen der Invasion der Ukraine anpassen werde. "Wir werden die Sanktionen überleben. Sanktionen machen uns stärker."
Lawrow bekräftigte zudem das russische Kriegsziel mit Blick auf die Ukraine. "Unser Ziel ist es, jegliche Bedrohung Russland von ukrainischem Gebiet zu entfernen", sagte er. Moskau hatte die vor drei Wochen begonnene völkerrechtswidrige Aggression gegen das Nachbarland damit begründet, es zu "entnazifizieren" und einen vermeintlichen "Genozid" zu stoppen. Auch sei man einem ukrainischen Angriff zuvorgekommen, und überhaupt hätte das Nachbarland bald Atomwaffen haben können.
Die Ukraine hatte seine Atomwaffen mit dem Budapester Memorandum im Jahr 1994 an Russland abgegeben. Im Gegenzug hatte Russland gemeinsam mit den USA und Großbritannien ein Bekenntnis zur territorialen Integrität und Souveränität abgegeben. Nach einem politischen Umsturz Anfang 2014 war Russland im Nachbarland eingefallen und hatte die Halbinsel Krim annektiert sowie Teile der östlichen Regionen Luhansk und Donezk von Separatisten unter Kontrolle bringen lassen.