Ukraine-Krise

Russen ziehen sich vor Odessa zurück

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Russland greift im Osten der Ukraine weiter an, zieht sich aber im Südosten des Landes von wichtigen Stellungen zurück.

 Die Frontstadt Lyssytschansk stand laut der ukrainischen Behörden am Donnerstag unter Dauerbeschuss russischer Kräfte. Man versuche weiter, die verbliebenen rund 15.000 Einwohner in Sicherheit zu bringen. Dagegen zogen sich die russischen Truppen von der Schlangeninsel im Schwarzen Meer vor Odessa zurück, die sie kurz nach Kriegsbeginn erobert hatten.

"KABOOM! Keine russischen Truppen mehr auf der Schlangeninsel", twitterte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak. "Unsere Streitkräfte haben einen großartigen Job gemacht." Das russische Verteidigungsministerium hingegen bezeichnete den Rückzug als "Geste des guten Willens". Der Abzug zeige, dass Russland die Bemühungen der Vereinten Nationen nicht behindere, einen humanitären Korridor für den Getreide-Export aus der Ukraine einzurichten. Die Insel südlich der ukrainischen Hafenstadt Odessa gilt als strategisch wichtig. Der Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte, Valeriyj Saluzhnyj, erklärte im Nachrichtendienst Telegram, ukrainische Bohdana-Haubitzen hätten eine wichtige Rolle bei der Befreiung gespielt. Er dankte den ausländischen Partnern für ihre Unterstützung. In der nahen Region Cherson schlugen die ukrainischen Kräfte nach eigenen Angaben mit Artillerieangriffen zurück.

Damit konzentrieren sich die russischen Bemühungen noch stärker darauf, die Donbass-Region im Osten der Ukraine zu erobern. "Die Kämpfe gehen unaufhörlich weiter. Die Russen sind ständig in der Offensive. Es gibt keine Pause", sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj. In der Früh hätten russische Truppen die Ölraffinerie von Lyssytschansk angegriffen. Die pro-russischen Separatisten in der Region erklärten, die Raffinerie sei bereits vollständig erobert. Auch alle Straßen in die Stadt würden von russischen und pro-russischen Kräften kontrolliert, sagte der Botschafter der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk laut der russischen Nachrichtenagentur RIA.

Die russischen Truppen versuchen die Stadt einzukesseln. Nach der Eroberung der wochenlang umkämpften Nachbarstadt Sjewjerodonezk am Wochenende ist Lyssytschansk die letzte größere Bastion der ukrainischen Streitkräfte in der Region Luhansk, die gemeinsam mit der Region Donezk den Donbass in der Ukraine bildet. Russland hat die Einnahme der Industrieregion Donbass als ein Hauptziel bezeichnet.

Nach russischen Angaben haben sich bisher mehr als 6.000 ukrainische Soldaten ergeben oder wurden gefangen genommen. Der am Mittwoch organisierte und bisher umfangreichste Gefangenaustausch, bei dem 144 ukrainische Soldaten freigelassen worden seien, habe auf direkten Befehl von Präsident Wladimir Putin stattgefunden, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA und Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau.

Russland ist laut Putin offen für einen Dialog über strategische Stabilität, eine Beschränkung von Atomwaffen und Rüstungskontrolle. Dies würde aber eine "sorgfältige gemeinsame Arbeit" erfordern und müsse darauf abzielen, eine Wiederholung dessen zu verhindern, "was heute im Donbass geschieht", sagt Putin am Donnerstag auf einem Juristenforum in Sankt Petersburg.

Putin kritisierte die westlichen Sanktionen wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine als illegale Strafmaßnahmen ohne Beispiel. "Die Vorherrschaft eines Landes oder einer Gruppe von Ländern auf der Weltbühne ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch gefährlich und führt unweigerlich zu großen Systemrisiken", sagte Putin am Donnerstag bei seinem Video-Auftritt in St. Petersburg. Es dürfe im 21. Jahrhundert keinen Platz für Ungleichheit, Diskriminierung von Staaten und Völkern geben.

Putin warf der Ukraine nach einem Bericht der Agentur Interfax zufolge mit Blick auf die Bevölkerung im Industriegebiet Donbass im Osten des Landes ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. Er hatte Kiew bereits zuvor - ohne Belege - "Völkermord" an russischsprachigen Menschen vorgeworfen. Den Krieg gegen das Nachbarland rechtfertigt Moskau auch mit einer angeblichen "Befreiung" der Ukraine von "Neonazis".

Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, erklärte unterdessen, dass Sanktionen unter bestimmten Umständen als ein Akt der Aggression und eine Berechtigung für einen Krieg angesehen werden könnten: "Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass solche feindseligen Maßnahmen unter bestimmten Umständen auch als ein Akt internationaler Aggression gewertet werden können. Und sogar als Casus Belli". Russland habe das Recht, sich zu verteidigen.

Großbritannien will der Ukraine unterdessen weitere militärische Unterstützung im Wert von rund 1,15 Milliarden Euro zukommen lassen. Damit solle die ukrainische Verteidigungsfähigkeit gestärkt werden, unter anderem durch Luftabwehr-Systeme, unbemannte Flugkörper und elektronische Ausrüstung. Der Wert der britischen Militärunterstützung für die Ukraine steigt damit in diesem Jahr auf 3,8 Milliarden Pfund.

Schweden will weitere Panzerabwehrwaffen und Maschinengewehre an die Ukraine liefern. Dies kündigte das Verteidigungsministerium in Stockholm an. Auch Ausrüstung zum Räumen von Minen werde zur Verfügung gestellt.

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