Nach Rückzug

Russland will Cherson in eine "Stadt des Todes" verwandeln

Teilen

In der ukrainischen Stadt Cherson wurden Minen gelegt und Brücken zerstört  

Russland will nach der Rückzugsankündigung nach Ansicht der Ukraine Cherson in eine "Stadt des Todes" verwandeln. Der politische Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, beschuldigte Russland, Gegenden zu verminen und zu planen, Cherson von der anderen Seite des Flusses Dnipro zu beschießen. Selenskyj selbst rief nach der Ankündigung Moskaus zur Zurückhaltung auf. Die Ukraine meldete unterdessen Gebietsgewinne im Süden des Landes.

"RF (Russland) will Cherson in eine 'Stadt des Todes' verwandeln. Das russische Militär vermint alles, was es kann: Wohnungen, Abwasserkanäle. Die Artillerie am linken Ufer plant, die Stadt in Ruinen zu verwandeln", schrieb Podoljak auf Twitter. "So sieht (die) 'russische Welt' aus: kam, raubte, feierte, tötete 'Zeugen', hinterließ Ruinen und ging."

Brücken zerstört

Auch der britische Geheimdienst erklärte, dass die russischen Truppen Brücken zerstört und mutmaßlich auch Minen gelegt haben, um die Rückeroberung der von Moskau aufgegebenen Stadt Cherson für die Ukraine zu erschweren. Es sei zu erwarten, dass der angekündigte Rückzug sich über mehrere Tage hinziehen und von Artilleriefeuer zum Schutz der abziehenden Einheiten begleitet werde, hieß es am Donnerstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter. Insbesondere bei der Überquerung des Flusses Dnipro seien die russischen Einheiten angesichts begrenzter Möglichkeiten verletzlich.

Ukrainische Einheiten sind indes offenbar in die Kleinstadt Snihuriwka in der Südukraine eingerückt. In einem am Donnerstag in sozialen Netzwerken veröffentlichten Video zeigte sich eine ukrainische Späheinheit in der Stadt vor Beifall klatschenden Einwohnern. Der Verkehrsknotenpunkt im Gebiet Mykolajiw mit vor dem Krieg 12.000 Einwohnern war im März von der russischen Armee besetzt worden.

Russischer Rückzug

Die ukrainischen Streitkräfte seien sieben Kilometer im Süden vorgedrungen und hätten in den vergangenen 24 Stunden zwölf Orte zurückerobert, erklärte Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj am Donnerstag. "Wir können die Informationen über den angeblichen Abzug der russischen Besatzungstruppen aus Cherson noch nicht bestätigen oder dementieren. Wir führen die Offensivoperation gemäß unserem Plan weiter durch", schrieb er auf Telegram.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte am Mittwoch den Rückzug aus der südukrainischen Stadt Cherson und weiteren Teilen des dort besetzten Gebiets angekündigt. Der Verlust der Region werde Russland wahrscheinlich sein strategisches Ziel verwehren, eine russische Landbrücke bis zur Hafenstadt Odessa aufzubauen, halten die Briten fest. Ukrainische Angriffe auf die Nachschubrouten der Russen hätten deren Position in Cherson unhaltbar gemacht. Die Ankündigung gilt als eine der bisher schwersten Niederlagen der russischen Streitkräfte in dem Krieg gegen die Ukraine.

Der ukrainische Präsident hatte bereits am Mittwochabend misstrauisch reagiert. Nach Ankündigung des russischen Abzugs herrsche zwar "viel Freude", sagte Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. "Aber unsere Emotionen müssen zurückgehalten werden - gerade während des Krieges." Selenskyj verwies darauf, dass der Rückzug der russischen Besatzer in erster Linie den Erfolgen der ukrainischen Streitkräfte zu verdanken sei. "Der Feind macht uns keine Geschenke, macht keine Gesten des guten Willens." Das ukrainische Militär werde sich weiter "sehr vorsichtig, ohne Emotionen, ohne unnötiges Risiko" bewegen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den angekündigten Rückzug dagegen als positiven Schritt. Auf einer Pressekonferenz vor seiner Abreise zu einem Besuch in Usbekistan antwortete Erdogan damit auf eine Frage zu den Aussichten auf Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.