Wende in Kiew

Ukraine: Opposition zur Regierungsbildung bereit

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Jazenjuk kann sich Beteiligung an Regierung vorstellen.

In den erbitterten Machtkampf in der Ukraine könnte Bewegung kommen. Die Gegner des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch haben am Montag erstmals Willen zur Regierungsbildung gezeigt. Die EU und USA arbeiten unterdessen an einem Plan für erhebliche kurzfristige Finanzhilfen des finanziell maroden Landes. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) signalisierte Unterstützung dafür.

"Es braucht eine gemeinsame Position für eine friedliche Lösung", erklärte ein Sprecher am Montag auf APA-Anfrage. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton planen indes ein Hilfspaket für die Ex-Sowjetrepublik in der Übergangsphase. Während dieser Zeit könne eine Übergangsregierung wichtige politische und wirtschaftliche Reformen ergreifen und Präsidentenwahlen vorbereiten, so Ashton zum "Wall Street Journal". Das Hilfsvolumen werde nicht gering sein, sagte Ashton. Zahlen nannte sie jedoch nicht. Dieser Plan erfordere auch nicht, dass die Ukraine zunächst ein langfristiges Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) abschließe, betonte die EU-Chefdiplomatin. Der Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen "Marshall-Plan" für das finanziell schwer angeschlagene Land gefordert, der aber nur dem Volk zugutekommen dürfe. Die Führung in Kiew sowie Russland werfen der EU eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten vor.

Nachdem sich Janukowitsch wegen hohen Fiebers einige Tage im Krankenhaus behandeln ließ, nahm er am Montag seine Amtsgeschäfte wieder auf. Laut einem Bericht der "Bild" (Onlineausgabe) soll erneut ein Treffen mit dem Oppositionsführer Vitali Klitschko stattgefunden haben. "Die Lage ist brenzlig, wir brauchen jetzt endlich eine Lösung", sagte Klitschko am Montag. Der frühere Boxweltmeister betonte: "Allein Janukowitsch kann dafür sorgen, dass es eine Deeskalation der Lage gibt."

Einigung: Festgenommene Demonstranten sollen freigelassen werden
Kurz nach dem "Bild"-Bericht teilten Demonstranten mit, dass es zu einer weiteren Einigung zwischen der außerparlamentarischen Opposition und Janukowitsch gekommen sein: Bis Freitag sollen die Behörden mehr als 100 Demonstranten aus der Haft entlassen. Im Gegenzug wollen die Regierungsgegner dann in Kiew die besetzte Stadtverwaltung räumen und ihre Barrikaden auf der Gruschewski-Straße zum Regierungsviertel aufgeben. Das sagte ein Sprecher der "Selbstverteidigungskräfte" am Montag auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew nach Berichten örtlicher Medien. Die Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko beharrt bisher auf einer bedingungslosen Freilassung aller Festgenommenen.

Jazenjuk erklärte indes, für die Regierungsbildung bereit zu sein. "Wir haben bisher nur ein Modell diskutiert - dass die Opposition die ganze Verantwortung übernimmt", so Ex-Außenminister Jazenjuk im regierungskritischen Fernsehsender 5. Kanal. "Das bedeutet, dass wir (...) das Land aus dem Loch ziehen, in das es die Regierung und der Präsident gezogen haben." Zuvor hatte Jazenjuk ein Angebot Janukowitschs abgelehnt, Regierungschef zu werden. Die Opposition beharrt auf dem Rücktritt des Präsidenten.

Ex-Ministerpräsident soll sich nach Wien abgesetzt haben
Parlamentspräsident Wladimir Rybak betonte am Montag, Janukowitsch habe noch keinen Vorschlag für das Amt des Regierungschefs gemacht. Der bisherige Ministerpräsident Mykola (Nikolai) Asarow war vor rund einer Woche auf Druck der Opposition zurückgetreten und setzte sich laut Medienberichten vom Freitag nach Österreich ab. Außer Jazenjuk gelten auch der oppositionelle Unternehmer Pjotr Poroschenko sowie der bisherige Vizeregierungschef Sergej Arbusow als Kandidaten für die Nachfolge.

Nach den Berichten, wonach sich Asaraow nach Wien abgesetzt haben soll, wurden auch Vorwürfe der ukrainischen Opposition laut, dass Asarow und andere Politiker ihren durch Korruption angehäuften Reichtum im Ausland, auch in Österreich, reinwaschen. Vor allem die intransparenten Firmengeflechte und deren Eigentumsverhältnisse machen es für die Regierungsgegner schwer, tatsächlich Betrug nachweisen zu können. Wegen dieser Vorwürfe berate man derzeit mit den europäischen Partnern, betonte man im Außenministerium auf APA-Anfrage.

Drohgebärden aus Russland
Drohgebärden kamen unterdessen aus Russland: Die Regierung warnte die Opposition vor "Drohungen und Ultimaten" an die Staatsführung. Moskau erwarte, dass die Opposition in der Ukraine darauf künftig verzichte, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Klitschko hatte zuvor zum Aufbau von Bürgerwehren aufgerufen. "Bildet Bürgerwehren in jedem Hof, in jedem Bezirk, in jedem Haus", forderte Klitschko am Sonntag auf dem von Demonstranten besetzten Unabhängigkeitsplatz (Maidan). "Alle demokratischen Kräfte müssen den Protest vor die Gebietsverwaltungen tragen", sagte der Ex-Boxweltmeister. Vielmehr sollten die Regierungsgegner "den Dialog mit den Behörden verstärken, damit das Land aus der tiefen Krise herausfinden kann". Dies müsse "im Rahmen der Verfassung" geschehen.

 

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