ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner analysiert den US-Wahlkampf vor Ort.
Nur noch vier Tage bis zur US-Wahl – und das Rennen wird immer dramatischer. Noch nie hat eine Wahl die Amerikaner so elektrisiert.
Über 150 Millionen Amerikaner werden wählen, ein Rekordwert. Wenn man den Meinungsforschern glaubt, ist das Rennen gelaufen: Joe Biden führt überlegen.
In der aktuellen Umfrage von CNN führt Biden bereits mit 12 % Vorsprung überlegen mit 54 % zu 42 %. Noch dramatischer ist der Vorsprung bei den – letztlich entscheidenden – „Wahlmännern“, bei denen Trump 2016 Hillary Clinton gegen alle Wetten geschlagen hat.
CNN hat Biden gestern bereits als „SIEGER“ ausgerufen: Laut CNN sind Biden bereits 290 Wahlmänner sicher – 270 braucht er für den Sieg. Trump kommt bisher nur auf 163 Wahlmänner.
In 38 US-Staaten ist das Rennen – laut Meinungsforschern – entschieden, weil einer der beiden Kandidaten mit mehr als 10 % in Führung liegt. Hier führt Biden bereits 232 zu 125.
In 11 Bundesstaaten bleibt das Rennen offen – doch mittlerweile führt Biden auch hier überlegen in 9 von 11 Staaten, darunter sogar in der Trump-Hochburg Georgia und im vorentscheidenden Florida.
Der Grund, warum Donald Trump in den letzten Tagen so „entzaubert“ wurde, ist klar: Es ist die Corona-Krise.
Hatte Trump vor einigen Monaten eine klare Sieges-Chance, weil er beim Thema „Wirtschaft“ – dem klassischen Nr.-1-Thema der US-Wähler – besser als Biden lag (57 % waren der Meinung, es ginge ihnen „besser“ als vor vier Jahren) …
… so hat sich die Stimmung in der US-Krise völlig gedreht. Erstmals sieht die klare Mehrheit nicht mehr die „Economy“, sondern die „Corona-Krise“ als wichtigste Herausforderung.
Und bei „Covid-19“ hat Trump alles falsch gemacht, was ein Präsident falsch machen kann: Er hat die Gefahr verschwiegen, verharmlost und macht sich seit seiner eigenen Covid-Erkrankung nur noch lächerlich: „Wir werden diese läppische Krankheit, die weniger schmerzhaft ist als die Grippe – wie ihr ja an mir seht – in wenigen Wochen besiegt haben.“ Zuletzt ist aber die Zahl der mit Covid neu Infizierten dramatisch gestiegen.
Die Amerikaner glauben Trump nicht mehr, dass er Covid besiegen kann.
So wenden sich die Wähler dem Mann zu, der seinen Wahlkampf nur mehr dem Thema Covid widmet. Joe Biden präsentiert sich als Profi, der Covid bekämpfen wird.
Biden ist sicher nicht der attraktivste Kandidat, den die Demokraten je hatten. Kein Vergleich mit Clinton oder Obama – der 78-Jährige wirkt erschöpft, schläfrig. Trump nennt ihn „Sleepy Joe“. Aber er ist sympathisch, wirkt wie ein liebevoller Opa.
In Wahrheit aber ist diese Wahl kein Votum für Joe Biden – es ist eine Abstimmung für oder gegen Donald Trump. Und da stehen die Zeichen gegen das „Großmaul“ im Weißen Haus.
Die Amerikaner glauben nicht nur, dass Joe Biden die Corona-Krise besser lösen wird als Trump (es steht hier 57 % zu 39 % für Biden), sie bewerten Trump auch klar negativ: Nur 39 % sagen, dass Trump ein guter Präsident ist, 59 % sehen ihn negativ.
In dieser Stimmung tritt Trump zu seinem letzten Gefecht an. Kann er die Wahl noch einmal drehen – so wie es vor vier Jahren gegen Hillary Clinton gelungen ist?
Das Dramatische an dieser US-Wahl: Biden führt überlegen. Biden ist eigentlich schon Sieger. Aber Trump ist immer für eine Sensation – und letztlich wohl auch für einen Last-minute-Wahlsieg gut.