Lukaschenko unter Druck

Weißrussland - EU-Ratschef beruft Sondergipfel ein

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Großbritannien erkennt Wahlergebnis nicht an - nach Litauen geflüchtete Oppositionspolitikerin: "Bin bereit, Land zu regieren"

Minsk/Brüssel. Angesichts der Massenproteste nach der Präsidentenwahl in Weißrussland (Belarus) hat EU-Ratspräsident Charles Michel für Mittwoch (12.00 Uhr) einen EU-Videogipfel angesetzt. Die Menschen in Weißrussland hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.

 

 

Lukaschenko lehnt Neuwahl ab

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat einem Medienbericht zufolge Forderungen der Opposition und der EU nach einer Neuwahl zurückgewiesen, aber eine Bereitschaft für Zugeständnisse signalisiert. Es werde keine Neuwahl geben, wurde Lukaschenko am Montag von der Nachrichtenagentur Belta zitiert. Er sei aber bereit, die Macht zu teilen, allerdings nicht unter dem Druck von Protesten.
 
"Sie werden nicht erwarten, dass ich etwas unter Druck mache." Ähnlich hatte er sich bereits am Sonntag geäußert und Fälschungsvorwürfe bei der Präsidentenwahl vor gut einer Woche zurückgewiesen. Seit der Wahl kommt es landesweit zu Demonstrationen.
 
Es werde bereits an einer möglichen Verfassungsänderung gearbeitet, die eine Umverteilung der Macht vorsehe, sagte der Präsident am Montag bei einem Besuch des staatlichen Fahrzeugherstellers MZKT in Minsk der Staatsagentur Belta zufolge, ohne Details zu nennen. Der 65-Jährige regiert das Land seit 26 Jahren autoritär.
 
Lukaschenko
© Sergei GAPON / POOL / AFP
× Lukaschenko
 
Bei der Wahl vor gut einer Woche hatte er sich zum Sieger mit großem Vorsprung erklärt. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor und reagierte mit Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte teils brutal vorgingen. Am Sonntag hatten in der Hauptstadt Minsk nach Reuters-Schätzungen rund 200.000 Menschen gegen Lukaschenko protestiert.
 
Auch die EU äußerte Zweifel an der Wahl. Am Freitag hatte sie Sanktionen gegen Personen auf den Weg gebracht, die für mutmaßliche Wahlfälschung und die Niederschlagung von Protesten verantwortlich gemacht werden.
 
Zu Wochenbeginn traten Arbeiter in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Die Fabriken gelten in der Ex-Sowjetrepublik als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann.
 
Die Staatsagentur Belta behauptete am Montag, dass die Werke im Land "im Großen und Ganzen funktionieren". Lukaschenko sagte: "Diejenigen, die arbeiten wollen, sollen arbeiten. Wenn nicht, dann werden wir sie auch nicht dazu zwingen." Wenn 150 oder sogar 200 Menschen streikten, dann habe das keinen Einfluss auf den Betrieb.
 
Lukaschenko flog am Vormittag mit einem Hubschrauber auf das Werksgelände. Während der Rede riefen ihm die Beschäftigten "Hau ab" entgegen, wie in Videos zu sehen war. Im Nachrichtenkanal Telegram gab es Aufnahmen von Versammlungen in Betrieben und Mitarbeiter, die ihre Fabriken verlassen hatten und auf der Straße demonstrierten.
 
Auch das Staatsfernsehen hatte am Montag Sendeprobleme, weil Mitarbeiter entweder streikten oder prominente Moderatoren gekündigt haben. Für den Abend war in der Hauptstadt Minsk eine neue Großkundgebung geplant. Bereits am Sonntag demonstrierten im Stadtzentrum Hunderttausende gegen Gewalt und Willkür unter Lukaschenko. Viele forderten auch seinen Rücktritt und Neuwahlen.
 
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