Kunst-Raub

Polizei verdächtigt Bande aus Ex-Jugoslawien

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Bekannte Bilder, wie die am Sonntag in der Schweiz geraubten, können fast nicht in der Öffentlichkeit verkauft werden. Banden tauschen sie oft gegen Drogen und Waffen.

Zwei Tage nach dem spektakulären Millionen-Kunstraub in der Schweiz geht die Züricher Polizei zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Ob es eine heiße Spur gibt, konnte ein Sprecher am Dienstag jedoch nicht bestätigen. In die Fahndung sei auch Interpol eingeschaltet. "Die Ermittlungen sind in vollem Gange, wir haben aber noch nichts zu berichten", sagte der Sprecher.

Die Gemälde aus der Züricher Sammlung Bührle könnten nach Angaben eines Kunstraubexperten von einer Bande aus dem ehemaligen Jugoslawien gestohlen worden sein. Einer der Täter habe einen slawischen Akzent gehabt; zudem sei die Kriminalität im Bereich der Kunst in Montenegro, Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina am Ansteigen, sagte Julian Radcliffe, Präsident der weltgrößten Datenbank für gestohlene Kunstwerke, Art Loss Register, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in London. Die Gemälde im Millionenwert könnten jedoch erst nach 20 Jahren wieder auftauchen. "Fast ein Drittel aller gestohlenen Kunstwerke wird sichergestellt; das kann aber eine lange Zeit dauern." Es sei wahrscheinlich, dass sich die Räuber nicht mehr in der Schweiz aufhielten.

Am Sonntag hatten drei bewaffnete und maskierte Täter aus dem Museum in Zürich vier Ölgemälde im Wert von umgerechnet 113 Millionen Euro gestohlen, darunter Bilder von Monet und Cézanne.

Organisierte Banden tauschen Gemälde gegen Waffen und Drogen
Die organisierten Banden würden die Kunstwerke häufig im Untergrund untereinander weiterverkaufen. Im Gegenzug bekämen sie Drogen oder Waffen. "Die kleinen Fische, die die Tat ausführen, verkaufen die Gemälde dabei meistens erst an einen Unterhändler für wenig Geld; dieser verkauft sie dann wiederum weiter auf dem Schwarzmarkt", erklärte Radcliffe. Die Bilder zirkulierten so lange, bis die Täter glaubten, dass sie nicht mehr als gestohlen erkannt würden. "Das kann dann bis zu 20 Jahre dauern." Die Räuber würden die Gemälde oft in Banktresoren lagern. "Die kann man ohne weiteres mieten und sein Gut darin deponieren", sagte Radcliffe.

Hinweise aus der Bevölkerung
Eine Führung durch die Bührle-Sammlung vom Dienstag zeigt, wie dreist die drei bewaffneten Täter handelten. Dank der breiten Information vom Montag seien diverse Hinweise eingegangen, sagte Polizeisprecher Marco Cortesi am Dienstag bei einer Pressekonferenz in der Villa im Seefeld, wo die wertvolle Bührle-Sammlung untergebracht ist. Cortesi hielt sich aber bedeckt bezüglich der Frage nach einer heißen Spur.

Etwas relativiert wurde der Hinweis auf das vermutlich weiße Täterauto. Museumsbesucher hätten zwar am Boden liegend und unter Schock ein weißes Auto abfahren sehen - ob es sich aber tatsächlich um das Täterauto handle, sei nicht gesichert.

Auch die Schwyzer Polizei, die im Zusammenhang mit den fünf Tage zuvor im Seedamm-Kulturzentrum gestohlenen Picasso-Bildern nach einem weißen Auto fahndete, verfolgt diese Spur in der Zwischenzeit nicht mehr. Ein angeblich weißes Täterfahrzeug hatte am Montag zu Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten geführt.

Wichtigste private Sammlung europäischer Malerei
Die Kunstsammlung wurde im 20. Jahrhundert durch den in Zürich lebenden Industriellen Emil Georg Bührle (1890-1956) zusammengetragen. Sie gilt als eine der wichtigsten privaten Sammlungen europäischer Malerei. In ihrem Mittelpunkt steht die Malerei des französischen Impressionismus und Nachimpressionismus. Rund 200 Bilder der Sammlung wurden von der Familie Bührle 1960 in eine Stiftung eingebracht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Museum befindet sich in einer Villa aus dem Jahr 1886 an der Zollikerstrasse im Zürcher Kreis 8.

In der Öffentlichkeit kaum zu verkaufen
Es sei enorm schwierig, Kunstwerke mit solch einem hohen Wert wieder in der Öffentlichkeit zu verkaufen, da die Anstrengungen der Ermittler in solchen Fällen immens seien. "In unserer Datenbank sind alleine 180.000 gestohlene Kunstwerke und Antiquitäten registriert", sagte Radcliffe. Kunstexperten und Polizisten durchsuchten regelmäßig Auktionen und Kunstmessen nach Diebesgut.

Derzeit steckt viel Geld im Kunst-Markt
In den vergangenen Jahren würden immer mehr Kunstwerke gestohlen. "Es hat sich herumgesprochen, dass derzeit viel Geld in dem Markt steckt." Radcliffe wollte sich nicht dazu äußern, ob es sich bei dem Schweizer Raub um sogenanntes Artnapping gehandelt hat. Dabei erpressen die Täter die Besitzer oder Versicherer der Kunstwerke, weil sie wissen, dass sie ihr Diebesgut nicht weiterverkaufen können. "Artnapping ist aber in den meisten Fällen nicht erfolgreich", sagte Radcliffe.

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