USA:

"Anti-Terror-Krieg" geht ins Leere

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Laut Experten kann Waffengewalt gegen die Terror-Ideologie wenig ausrichten.

Mit seinen Anschlägen hat das Terrornetzwerk Al-Kaida eine blutige Spur im Kalender hinterlassen: Der 7. Juli steht für die U-Bahn-Anschläge von London, der 11. September für die Terrorattacken in den USA, der 11. März für die Anschläge auf die Vorortzüge in Madrid. In Tonbandbotschaften stellte Al-Kaida-Chef Osama bin Laden unter Beweis, dass weiter mit ihm zu rechnen ist. Politanalysten und Terrorexperten stellen eine beunruhigende Frage: Ist der "Krieg gegen den Terror", wie er seit fünf Jahren unter dem Kommando der USA geführt wird, bereits verloren?

Das renommierte US-Fachmagazin "Foreign Policy" befragte 116 führende Terrorspezialisten zu den Erfolgsaussichten des "Kriegs gegen den Terror". Das Resultat war klar: 84 Prozent urteilten, dass dieser Kampf verloren geht. 86 Prozent sagten, dass die Welt in den vergangenen fünf Jahren unsicherer geworden ist, und 80 Prozent erwarten einen neuen Terroranschlag in den USA innerhalb der nächsten zehn Jahre. Diese Eindeutigkeit überrascht umso mehr, als sich Anhänger der regierenden Republikaner und der oppositionellen Demokraten unter den Befragten in etwa die Waage hielten.

Falsche Stoßrichtung
Die meisten befragten Experten sind sich einig, dass der von den USA ausgerufene "Krieg gegen den Terror" eine falsche Stoßrichtung verfolgt und deswegen von vornherein keinen Erfolg haben konnte - egal, wie viel finanzielles und militärisches Potenzial die USA dafür aufbringen. Fast allen sei inzwischen klar, dass US-Präsident George W. Bush und sein Team "eine völlig unrealistische Einschätzung dessen haben, was sie mit militärischer Macht und militärischen Drohungen erreichen können", kritisierte Leslie Gelb, Leiter der Denkfabrik Council on Foreign Relations in New York.

Der französische Terrorexperte Alain Chouet gab zu bedenken, dass es sich bei Terrorismus um eine Geisteshaltung, nicht um einen greifbaren Gegner handle. Sein Urteil: "Ein Krieg gegen den Terror, das ist so lächerlich wie ein Krieg gegen den Jähzorn. Man führt keinen Krieg gegen den Terrorismus, man führt Krieg gegen Menschen." Die bisherige Strategie ziele ins Leere, bemängelte der frühere Geheimdienstmitarbeiter. Sie müsse auf die Ursachen, nicht die Symptome des Terrorismus abzielen: Inspiriert sei der Terrorismus vor allem vom Wahhabismus, einer strengen Lesart des Islam, die die Herrschaftsideologie der Saud-Dynastie in Saudi-Arabien ist.

Manche Experten gehen so weit zu behaupten, dass der "Anti-Terror-Krieg" die Gegner der USA eher stärkt als schwächt. Der frühere CIA-Mitarbeiter Michael Scheuer befand provozierend: "Heute haben Bin Laden, Al-Kaida und ihre Verbündeten nur einen unverzichtbaren Verbündeten: die Außenpolitik der USA gegenüber der islamischen Welt." Der Krieg gegen den Irak, das skandalöse Fehlverhalten mancher US-Soldaten dort und das umstrittene Gefangenenlager in Guantánamo habe den Hass vieler Moslems auf die USA wachsen lassen und treibe den Terroristen den Nachwuchs in die Arme.

USA in "klassischer Falle"
Nach Ansicht von Anne-Marie Slaughter von der Universität Princeton spielen die USA mit ihrer konfrontativen Strategie der Al-Kaida geradezu in die Hände. Schließlich setze auch die Al-Kaida auf einen Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen: "Unsere Behauptung, dass der islamische Fundamentalismus den Kommunismus als wichtigsten Feind abgelöst hat, nährt die Weltsicht der Al-Kaida." Der Franzose Chouet sieht die USA in einer "klassischen Falle: Sie schlagen auf die falschen Ziele ein" und richteten nebenbei so viel ungewollten Schaden an, dass sie der Sache ihrer Gegner nutzten.

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