Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal zeigt sich als schlechte Verliererin. Sie verlangt einen neuen Wahlgang.
Die ehemalige französische Arbeitsministerin Martine Aubry hat die parteiinterne Abstimmung über den Vorsitz bei den Sozialisten (PS) nach offiziellen Angaben mit hauchdünner Mehrheit gewonnen. Aubry habe 50,02 Prozent erhalten, die frühere Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal 49,98 Prozent, gab die Parteiführung am Samstagmorgen in Paris bekannt. Demnach erhielt Aubry von den 233.000 stimmberechtigten PS-Mitgliedern 42 Stimmen mehr als ihre Kontrahentin. Der scheidende Parteichef François Hollande werde eine Krisensitzung des PS-Nationalrats einberufen, teilte die Parteileitung weiter mit. Royal verlangte eine neue Abstimmung.
Beide Lager beanspruchen Sieg für sich
Schon vor der
Bekanntgabe des Auszählungsergebnisses beanspruchten die verfeindeten Lager
von Aubry und Royal jeweils den Sieg für sich. Aubry könne "nicht
mehr geschlagen werden", sagte der Abgeordnete Claude Bartolone mehrere
Stunden vor der Erklärung der Parteileitung zum Ausgang der Urwahl. Royals
Vertrauter Manuel Valls erklärte hingegen, der Sieg der früheren
Präsidentschaftskandidatin sei "unausweichlich".
Bei der Sitzung des Nationalrats soll voraussichtlich am kommenden Mittwoch über die bereits laut gewordene Kritik an dem Wahlverfahren beraten werden. Die Führungsgremien der Partei stehen mehrheitlich auf der Seite der 58-jährigen Aubry.
Royal will weiter Staatspräsidentin werden
Für die
55-jährige Kontrahentin Royal ist der Kampf um den Parteivorsitz zugleich
eine Etappe bei einem nochmaligen Versuch, Staatspräsidentin zu werden.
Royal hatte erkennen lassen, dass sie sich im Jahr 2012 erneut um das
höchste Staatsamt bewerben will. Im vergangenen Jahr unterlag sie gegen den
konservativen Kandidaten Nicolas Sarkozy.
Anhänger Royals machten in der Nacht zum Samstag mehrfach deutlich, dass es nach ihrer Ansicht bei der Auszählung Unregelmäßigkeiten gab. Royal forderte eine neue Abstimmung und schlug dafür den kommenden Donnerstag vor. Aubry wies die Forderung umgehend zurück. "Wir stehen am Rande einer Explosion", sagte ein Führungsmitglied der Partei. Die Beteiligung an der Abstimmung lag bei 58,87 Prozent.
Tief zerstritten
Die französischen Sozialisten sind seit langer
Zeit tief zerstritten. Zuletzt hatte sich dies beim Parteitag von Reims
gezeigt, bei dem keine Einigung auf die inhaltliche Ausrichtung der Partei
zustande kam. Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë hatte bei dieser
Gelegenheit seine Ambitionen aufgegeben, sich um den Parteivorsitz zu
bewerben. Im ersten Wahlgang bei der Urwahl um den Parteivorsitz hatte Royal
knapp 43 Prozent der Stimmen bekommen, auf Aubry entfielen knapp 35 Prozent.
Der Drittplatzierte Benoît Hamon hatte dann eine Empfehlung zugunsten von
Aubry abgegeben.