Brüssel

Belgiens Premier Leterme dürfte im Amt bleiben

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Trotz seines Rücktritts dürfte Yves Leterme doch belgischer Premier bleiben. König Albert II will an ihm festhalten.

Der belgische Ministerpräsident Yves Leterme wird laut Medienberichten trotz seines Rücktrittsgesuchs wohl im Amt bleiben. Die Verhandlungen über eine Staatsreform sollten ihm aber aus der Hand genommen werden, schrieben mehrere Zeitungen am Donnerstag. König Albert II. strebe eine Lösung bis spätestens Sonntagabend an, weil am Montag in Belgien der Nationalfeiertag begangen wird.

Leterme hatte am späten Montagabend wegen des Dauerkonflikts zwischen frankophonen und flämischen Parteien seiner Regierung seinen Rücktritt angeboten. Dem Christdemokraten aus dem niederländischsprachigen Flandern war es nicht gelungen, mit seinen Koalitionspartnern aus dem französischsprachigen Wallonien einen Kompromiss über eine Staatsreform zu finden.

Ablehnung der Demission
Der christdemokratische Noch-Regierungschef würde von der Aufgabe einer Staatsreform entbunden, berichtete die frankophone Zeitung "Le Soir" am Donnerstag. Die flämische Zeitung "De Morgen" spekulierte, König Albert II. werde Letermes Demission ablehnen. Der König hatte in den vergangenen Tagen mit Spitzenpolitikern über Auswege aus der Krise beraten. Am Donnerstag standen Gespräche mit den Sozialpartnern auf seinem Programm. Das Staatsoberhaupt hatte erstmals auch die Ministerpräsidenten der Regionen in die Beratungen einbezogen. Das wird als Zeichen für eine mögliche Neuauflage der Verhandlungen über die Staatsreform unter Mitwirkung der verschiedenen Landesteile gedeutet. Die Kompetenzen der Regionen sind ein wesentlicher Zankapfel im belgischen Sprachenstreit.

Die Verhandlungen über die Staatsreform könnten nun den Ministerpräsidenten Flanderns und Walloniens, Kris Peeters und Rudy Demotte, übertragen werden, berichteten flämische und französischsprachige Zeitungen am Donnerstag übereinstimmend. Die Wallonen wollen allerdings auch den Ministerpräsidenten der Hauptstadtregion Brüssel, Charles Picqué, an den Verhandlungen beteiligt sehen. Brüssel ist zweisprachig, die große Mehrheit seiner Einwohner spricht aber wie auch Ministerpräsident Picqué Französisch.

Beteiligung Picqués abgelehnt
Der stellvertretende Vorsitzende von Letermes flämischen Christdemokraten (CD&V), Wouter Beke, lehnte eine gleichberechtigte Beteiligung Picqués an den Gesprächen ab. "Brüssel muss mit am Verhandlungstisch sitzen, aber die Verhandlungsführung muss Kris Peeters und Rudy Demotte übertragen werden", sagte der Leterme-Vertraute der Zeitung "La Libre Belgique". Zur Begründung erklärte Beke, Peeters und Demotte seien als Ministerpräsidenten Flanderns und Walloniens "die offiziellen Repräsentanten der zwei großen Sprachgruppen dieses Landes".

Verhandlungen unter Einbeziehung der Regionen würden das Wahlbündnis von Letermes flämischen Christdemokraten CD&V mit der nationalistischen Flamen-Partei NV-A vor eine Zerreißprobe stellen, analysierte die Zeitung "De Standaard". Leterme könne im Amt bleiben, wenn seine Partei sich von der NV-A trenne und eine Staatsreform nach 2009 akzeptiere. Politiker von der Parteibasis der CD&V sprachen Leterme am Mittwoch ihr Vertrauen aus. Zugleich wurde aber auch der Ruf nach Garantien für eine Staatsreform laut.

Druck auf Albert II
König Albert II. steht unter Druck, spätestens am Montag in seiner Rede zum belgischen Nationalfeiertag für Klarheit zu sorgen. In Belgien ringen die niederländische und die französische Sprachgruppe seit Jahren um Macht und Einfluss. Leterme hatte seine Fünf-Parteien-Koalition vor Ostern nur mit dem Versprechen zusammenbekommen, bis Mitte Juli einen konsensfähigen Vorschlag für eine Staatsreform vorzulegen. Weil er damit scheiterte, ist die seit den Wahlen vom Juni 2007 schwelende Krise wieder voll ausgebrochen.

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