Nach nur 4 Monaten reichte der Christdemokrat seine Demission ein - Die Koalition konnte sich Monate lang nicht auf die Staatsreform einigen.
Nach nur rund vier Monaten im Amt steht die belgische Regierung erneut vor dem Aus. Ministerpräsident Yves Leterme reichte am Montagabend bei König Albert II. seinen Rücktritt ein, nachdem er eine Staatsreform für mehr Autonomie für die Regionen in seiner Fünf-Parteien-Koalition nicht fristgerecht durchsetzen konnte. "Es ist nun am König, dies zu akzeptieren", sagte ein Sprecher des Regierungschefs aus den Reihen der flämischen Christdemokraten. Das Königshaus teilte am Dienstag knapp mit, dass Albert noch nicht über das Rücktrittsersuchen entschieden habe. Er wollte am Nachmittag mit Spitzenvertretern der Parteien beraten.
Gegensätzlichen Visionen der (Sprach-)Gemeinschaften
Das
belgische Parlament sagte seine Sitzung ab, in der Leterme am Nachmittag
eine Regierungserklärung zum Stand der Reform hatte abgeben sollen. Leterme
gestand in einer Presseerklärung das Scheitern der Koalition ein: "Es stellt
sich heraus, dass die gegensätzlichen Visionen der (Sprach-)Gemeinschaften
über ein erforderliches neues Gleichgewicht im Staatsaufbau heute
unvereinbar sind." Eine Reform des Staates bleibe jedoch Grundvoraussetzung
für eine Einigung der Regierung, erklärte der flämische Christdemokrat.
Experten zufolge könnte König Albert Leterme auffordern, im Amt zu bleiben, oder ein anderes Kabinettsmitglied mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Als Kandidat ist Finanzminister Didier Reynders im Gespräch. Der wallonische Politiker sieht das Land in einer Krise, wie er in einem Radiointerview sagte. Denkbar sind auch Neuwahlen, obwohl einige der Koalitionsparteien Umfragen zufolge mit Einbußen rechnen müssen.
Monatelanger Streit
König Albert hatte Leterme erst Mitte März
zum Ministerpräsidenten ernannt. Seine Koalition sollte eine Spaltung des
Landes verhindern und einen monatelangen Streit über mehr Eigenständigkeit
der Regionen zwischen den flämischen und wallonischen Parteien beenden, der
zu einer schweren politischen Krise geführt hatte. Leterme hatte beim Start
seiner Regierung vor Ostern versprochen, bis 15. Juli konkrete Vorschläge
für die Reform auszuhandeln.
Die Verhandlungen über die regionale Machtverteilung und die Reform von Wahlkreisen im Raum Brüssel konnte er allerdings bisher nicht aus der Sackgasse führen. Denn die Parteien der französischsprachigen Belgier sperrten sich weiter gegen die Forderungen der niederländischsprechenden Flamen für mehr Autonomie.
Strittige Regionalisierung
Strittig blieben in den bis
Montagabend fortgesetzten Verhandlungen die von Flandern geforderte weitere
Regionalisierung bisher föderaler Kompetenzen sowie die Abspaltung Brüssels
von dem bisher zweisprachigen Wahlbezirk der Hauptstadtregion. In den
verbleibenden Umlandbezirken würden dabei etwa 150.000 Französisch
sprechende Belgier das Recht verlieren, frankophone Parteien zu wählen.
Letermes französischsprachige Koalitionspartner lehnten deshalb den
Aufteilungsplan bis zum Schluss ab.
Die Opposition übte am Dienstag harte Kritik an Leterme. Das "arrogante Verhalten" seines Wahlbündnisses mit der nationalkonservativ geprägten Neuen Flämischen Allianz (NV-A) habe dazu geführt, dass sich die Fronten zwischen den Regionen verhärtet hätten, erklärten die flämischen Sozialisten. Die separatistische flämische Partei "Vlaams Belang" schloss aus dem Scheitern der Verhandlungen, dass die politische Führung nun eine "vernünftige Vorbereitung auf das Ende Belgiens" vorbereiten müsse.
Leterme und seine flämischen Christdemokraten hatten die Parlamentswahl im Juni 2007 mit der Forderung nach einer größerer regionaler Eigenständigkeit klar gewonnen. Vor seiner Ernennung hatte er aber mehrmals das Mandat zur Regierungsbildung niedergelegt, weil sich die Parteien nicht auf die Staatsreform einigen konnten. Selbst über eine Teilung des 177 Jahre alten Staates war vor dem Hintergrund der Krise spekuliert worden.