Nach Tschernobyl schaffte Italien die Atomkraft ab. Jetzt will Premier Berlusconi sie wieder einführen. Er kündigte den Bau neuer Akws an.
Italien will nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder in die zivile Nutzung der Atomkraft einsteigen. Dies bekräftigte der italienische Premierminister Silvio Berlusconi bei einer Pressekonferenz zu Jahresabschluss. Um dem steigenden Strombedarf im Land entgegen zu kommen, müssten Atomkraftwerke auf italienischem Boden gebaut werden, erklärte Berlusconi. Italien werde im Atombereich eine Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien starten, kündigte Berlusconi an.
Kernkraft per Volksabstimmung abgeschafft
Ein Jahr nach dem
Super-GAU im ukrainischen Tschernobyl 1986 hatten die Italiener per
Volksabstimmung das Ende der Kernkraft durchgesetzt. Damit mussten die drei
damaligen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, ein in Bau befindliches AKW
ging nicht mehr ans Netz. Laut Enel gewinnt Italien heute 60 Prozent seiner
Energie aus Erdgas. Große Stromausfälle wie im September 2003 haben
wiederholt die Diskussion um eine Rückkehr zur Kernkraft angeheizt.
Berlakovich bedauert Entscheidung
Umweltminister Nikolaus
Berlakovich (V) bedauert die angekündigte Rückkehr zur Nuklearenergie. Dies
sei "eine große Enttäuschung". Diese Meinungsänderung entspreche keineswegs
den gemeinsamen Vereinbarungen vom 1. Oktober 2007, erinnert Berlakovich an
das von seinem Amtsvorgänger Josef Pröll (V) initiierte Ministertreffen in
Wien.
Gemeinsame Erklärung verletzt
Die atomkritischen Länder
Europas, neben Österreich, Deutschland, Irland, Island, Norwegen, Lettland,
Luxemburg auch Italien, haben sich laut Umweltministerium bei ihrem Treffen
im Herbst 2007 auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, die unter anderem
besagt, dass die Atomenergie weder eine nachhaltige Energieform, noch ein
geeignetes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel sei. Man teile die Bedenken
bezüglich der verbleibenden Risiken und werde auf Energieeffizienz und
erneuerbare Energieformen setzen.
Warten auf Antwort aus Rom
Als Reaktion auf den italienischen
Meinungsschwenk wandte sich Berlakovich mit einem Schreiben an die derzeit
amtierende Umweltministerin Stefania Prestigiacomo, in dem er sie auf die
Vereinbarung aufmerksam machte und sie um eine Stellungnahme diesbezüglich
ersuchte.
Präsident soll direkt gewählt werden
Premier b will
sich zudem in Italien für die Einführung eines Präsidialsystems nach
französischem oder amerikanischen Muster einsetzen. Mit diesem
Regierungsmodell wäre Italien besser regierbar, meinte der Premier. Außerdem
sollte der Staatschef direkt vom Volk gewählt werden, sagte Berlusconi am
Samstagabend bei einer Pressekonferenz zum politischen Jahresabschluss.
Berlusconi hob die große Popularität seiner Regierung hervor. Sie würde eine Zustimmungsquote von 72 Prozent genießen, betonte der Regierungschef. Medien spekulieren, dass der 72-jährige Berlusconi nach Ende seiner regulären Amtszeit im Jahr 2013 den Posten des Staatschef gern übernehmen würde. Berlusconi ist im Jahr 1993 in die italienische Politik eingestiegen und ist zum dritten Mal Italiens Regierungschef.