Bei seinem Treffen mit Solana wurde Musharraf zu mehr Rechtsstaatlichkeit in Pakistan und zu freien Wahlen aufgefordert
Die Europäische Union hat den pakistanischen Staatschef Pervez Musharraf aufgefordert, für freie und faire Parlamentswahlen in seinem Land am 18. Februar zu sorgen. "Wir haben klargemacht, dass es sehr wichtig ist, dass diese Wahlen frei und fair sind. Und anschließend soll eine Regierung eingesetzt werden, die dem Willen des Volkes entspricht", sagte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana am Montag in Brüssel nach einem Gespräch mit Musharraf. Die für Anfang Jänner geplant gewesenen Wahlen waren nach der Ermordung von Oppositionsführerin Benazir Bhutto am 27. Dezember verschoben worden.
Pakistan braucht Wirtschaftsreformen und Rechtsstaatlichkeit
Solana
sagte, Pakistan brauche nicht nur wirtschaftliche Reformen. "Es muss auch um
die Rechtsstaatlichkeit gehen. Da gibt es seit Jahren Mängel. Und ich hoffe
sehr, dass das Ergebnis der Wahlen es erlauben wird, in dieser Richtung
voranzukommen." Musharraf wollte nach Angaben von Diplomaten mit seinem
Besuch in Brüssel "Missverständnisse" über die Lage in seinem Land
ausräumen. Nach den schweren Unruhen ist auch in EU-Hauptstädten die Sorge
gewachsen, radikale islamische Kräfte könnten in Pakistan - das über die
Atombombe verfügt - an die Macht kommen. Musharraf wollte außerdem noch
London und Paris besuchen sowie in Davos am Weltwirtschaftsforum teilnehmen.
Musharraf setzt Kampf gegen Terrorismus fort
"Wir werden mit
aller Entschlossenheit den Kampf gegen den Terrorismus und Extremismus
fortsetzen", versprach Musharraf. Pakistan, dessen Nordwestregion Waziristan
als Rückzugsgebiet der afghanischen Taliban gilt, werde künftig noch enger
als bisher mit der Regierung in Kabul zusammenarbeiten. "Unsere
Zusammenarbeit mit der EU und mit der Afghanistan-Schutztruppe ISAF der NATO
bleibt unverändert", sagte er. Vor seinen Landsleuten hatte Musharraf
gesagt, die Terrororganisation Al-Kaida befinde sich "auf der Flucht".
Solana sagte dazu: "Das habe ich so von ihm nicht gehört." "Aber es gibt
unbestreitbar Fortschritte im Kampf gegen den Terrorismus." Befürchtungen,
das pakistanische Atomwaffenarsenal könnte Terroristen in die Hände fallen,
wies Musharraf entschieden zurück: "Es besteht keinerlei Risiko, dass unsere
nuklearen Besitzstände in die falschen Hände geraten könnten".
Musharraf wolle als Präsident zurücktreten, sollte Opposition gewinnen
Im
Fall eines Erdrutschsiegs der Opposition will Musharraf als Präsident
zurücktreten. "Wenn es dazu käme, würde ich das Amt niederlegen, bevor sie
handeln", sagte Musharraf der deutschen Tageszeitung "Die Welt"
(Montag-Ausgabe). Er würde nicht "am Amt kleben", sollte die Opposition mit
einer Zweidrittelmehrheit eine Regierung bilden, die seine Amtsenthebung zum
Ziel hätte. Auf die Frage, ob er dann zurücktreten würde, antwortete er:
"Ja, natürlich."
Der Ausgang der allgemeinen Wahlen am 18. Februar ist offen. Unklar ist auch, ob sich die beiden großen Oppositionsparteien auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen könnten. Wenn die von der Familie der ermordeten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto geführte Pakistanische Volkspartei PPP und die konservative Muslim-Liga (PML-N) von Ex-Premier Nawaz Sharif zusammen eine Zweidrittelmehrheit zustande brächten, könnten sie Musharraf absetzen.
Opposition macht Musharraf mitverantwortlich für Bhuttos Tod
Die
PPP hatte Musharraf, dessen Regime von den USA seit 2001 Zuwendungen in Höhe
von mehr als zehn Milliarden Dollar erhalten hat, mitverantwortlich für den
gewaltsamen Tod Bhuttos gemacht, da er der Ex-Regierungschefin nicht den
notwendigen Schutz gewährt hätte. Es waren Anschuldigungen erhoben worden,
dass Regierungsstellen und der mächtige Geheimdienst ISI in das Attentat von
Rawalpindi verwickelt gewesen sein könnten. Bhuttos Heimkehr nach
achtjährigem Exil war erst möglich geworden, nachdem Musharraf auf Druck der
USA die Korruptionsanklagen gegen die PPP-Vorsitzende per Dekret für nichtig
erklärt hatte.
Fragliche Präsidentschaft Musharrafs
Musharrafs von der
Opposition boykottierte Wiederwahl hatte im Vorjahr ein Kollegium aus
Mitgliedern des Bundesparlaments und der Provinzparlamente vorgenommen. Sie
war vor dem Obersten Gericht angefochten worden, weil er sein Amt als
Armeechef bis dahin nicht zurückgelegt hatte und ein neues Parlament gewählt
werden soll. Der General hatte sich nach seinem Putsch 1999 in einem
fragwürdigen Plebiszit die Präsidentschaft übertragen lassen und zahlreiche
Verfassungsänderungen verfügt, um seine Macht auszubauen und dem Militär
dauerhaften Einfluss auf die Politik zu sichern.