Straßburg

EU-Parlament kritisiert Türkei

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Die Union bemängelt einmal mehr den schleppenden Reformprozess bezüglich der Grundfreiheiten. Ziel bleibt aber ein Beitritt.

Wenige Wochen vor dem entscheidenden Gutachten der EU-Kommission am 8. November hat das Europaparlament Kritik an dem schleppenden Reformprozess in der Türkei geäußert, gleichzeitig aber am Ziel eines EU-Beitrittes Ankaras festgehalten. In einer am Mittwoch von den Abgeordneten in Straßburg angenommenen und im Vorfeld umstrittenen Entschließung bedauert das EU-Parlament, "dass im Hinblick auf die Grundrechte und -freiheiten in den letzten Jahren nur begrenzt Fortschritte zu vermelden waren". Außerdem wird "das Fehlen von Fortschritten auf dem Gebiet der Religionsfreiheit" bemängelt.

Ziel bleibt Beitritt
An den in dem von den EU-Staaten beschlossenen Verhandlungsmandat verankerten Zielsetzungen der EU-Beitrittsverhandlungen hält das EU-Parlament fest. Es "betont, dass die Aufnahme der Verhandlungen Ausgangspunkt für einen lang andauernden Prozess ist, der per se ein Prozess mit offenem Ausgang ist und nicht a priori und automatisch zum Beitritt führt". Die Abgeordneten betonten allerdings auch, "dass das Ziel der Verhandlungen die türkische EU-Mitgliedschaft ist, und dass die Erfüllung dieses Anspruchs von den Anstrengungen beider Seiten abhängen wird".

"Strenger, aber gerechter" Bericht
Eine von dem konservativen niederländischen Berichterstatter Camiel Eurlings vorgeschlagene und im Vorfeld heftig umstrittene Klausel, welche die Türkei aufgefordert hätte, den "Völkermord" an den Armeniern im Ersten Weltkrieg einzugestehen, und dies als Voraussetzung für einen EU-Beitritt formuliert hätte, wurde auf Druck von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen gestrichen. Das Eingeständnis sei nun zwar " keine Vorbedingung" mehr, dennoch halte es das EU-Parlament für unabdingbar, dass die Türkei ihre Vergangenheit bewältige, sagte Eurlings. Der Bericht sei "streng, aber gerecht", weil er die Sorge über den Reformprozess zu Ausdruck bringe, aber auch die Türkei auffordere, Zusagen einzuhalten.

Zypern-Frage ungelöst
So zeigen sich die EU-Abgeordneten enttäuscht darüber, dass die Türkei ihre See- und Flughäfen noch nicht für Zypern geöffnet habe. Das Europaparlament verweist darauf, dass Ankara noch 2006 das so genannte Ankara-Protokoll umsetzen müsse, das die Zollunion auf Zypern erweitert. Unzureichende Fortschritte diesbezüglich würden " ernste Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess haben" und könnten " diesen sogar zum Stillstand bringen".

Der ÖVP-Europaabgeordnete Hubert Pirker nannte den Bericht "ein faires und ausgewogenes Dokument. Es ist absolut notwendig, unsere Besorgnis über die nach wie vor ungelösten Probleme in der Türkei offen anzusprechen ". Für das Europaparlament sei "die Zeit vorschneller Versprechungen vorbei". Es werde auf die Erfüllung aller Beitrittskriterien achten, dabei stehe "vor allem auch die Aufnahmefähigkeit der Union ganz oben auf der Liste".

SPÖ-Delegationsleiterin Maria Berger hatte im Vorfeld der Debatte betont: "Wir sind der Meinung, die Türkei soll nicht beitreten." Mit einer Ausnahme sei die SPÖ-Delegation gegen die EU-Mitgliedschaft Ankaras. Es wäre aber "feig", wenn die Aufarbeitung des Genozids an den Armeniern zur neuen Vorbedingung vor dem Beitritt gemacht werde.

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