9/11-Prozess

Hamburger Terrorhelfer bleibt auf freiem Fuß

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Das Oberlandesgericht Hamburg hat es abgelehnt, den wegen Beihilfe zu den Morden am 11. September verurteilten Mounir el Motassadeq wieder in Haft zu nehmen.

Die Entscheidung kam unerwartet: Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) verurteilte Mounir el Motassadeq als Helfer bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 rechtskräftig wegen Beihilfe zum Mord und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Das Oberlandesgericht Hamburg muss nun noch ein neues Strafmaß festsetzen. Erstmals in Deutschland wurde damit ein Mitglied der Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten Mohammed Atta rechtskräftig verurteilt.

Damit geht ein jahrelanges Verfahren, das zwischenzeitlich mehr Fragen als Antworten bereit hielt, auf die Zielgerade. Ob Motassadeq, der sich seit Februar auf freiem Fuß befindet, noch am Donnerstag wieder in Haft kommen sollte, blieb zunächst unklar.

Anwalt war überrascht
Motassadeqs Anwalt Ladislav Anisic zeigte sich von dem Richterspruch überrascht. "Ich war platt" , sagte er der Nachrichtenagentur AP. Er erwäge jetzt weitere Schritte. Wann ein neuerlicher Termin vor Gericht angesetzt werden kann, ist allerdings noch offen. Dazu könne derzeit noch nichts gesagt werden, da man nun auf die Akten warten müsse, betonte eine Hamburger Gerichtssprecherin: "Es soll so schnell wie möglich weitergehen."

Bald könnte also ein Prozess zu Ende gehen, der geprägt war vom Gezerre um Verhaftungen, Freilassungen, Urteilen sowie Revisionsanträgen und die Probleme des Rechtsstaates im Umgang mit der Bedrohung durch den Terror gezeigt hat. Im Mittelpunkt immer die Frage: Wer ist der 32-jährige Marokkaner wirklich - eiskalter Terrorhelfer oder fürsorglicher Freund und Studienkollege?

"Ganz normaler Nachbar"
Anwohner wollen Motassadeq immer wieder vor seiner Wohnung im Hamburger Stadtteil Harburg als " ganz normalen Nachbarn" gesehen haben. "Der hat sich ganz unauffällig verhalten", sagte eine Nachbarin am Donnerstag. Sie habe kaum etwas mit ihm zu tun gehabt. Es habe nie irgendwelche Probleme gegeben, betonte die Hausfrau, während sie ihre Post holt. In den vergangenen Wochen sei er jedoch fast überhaupt nicht mehr draußen gewesen.

Ein Pensionist aus der Nachbarschaft bringt zum Ausdruck, was er und wohl auch andere Nachbarn denken: "Irgendwie ist das schon merkwürdig, dass so ein Mensch hier unter uns lebt und hier studiert hat." In der Zeitung habe er so viele Sachen lesen müssen, die ihn sehr nachdenklich gestimmt und verunsichert hätten. Von der Entscheidung des BGH habe er im Radio gehört: "Wenn das so steht, muss er auch ins Gefängnis."

Auch zur Beihilfe an Mord verurteilt
Motassadeq, ein enger Freund des Hauptattentäters vom 11. September, Atta, war im vergangenen Jahr in Hamburg lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Das Strafmaß betrug sieben Jahre Haft. Der BGH sprach den 32-Jährigen nun zusätzlich der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen für schuldig; das sind die Todesopfer, die in den von den Terroristen entführten Flugzeugen zu Tode kamen.

Es war bereits der zweite Revisionsprozess gegen den Terrorhelfer. Im ersten Prozess war Motassadeq im Februar 2003 wegen Mitgliedschaft in der Terrorzelle und wegen Beihilfe zum Mord zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dieses Urteil hatte der BGH jedoch aufgehoben, weil US-Behörden Aussagen von inhaftierten Terrorverdächtigen nicht frei gegeben hatten. Im zweiten Prozess standen diese dann zur Verfügung.

Als Motassadeq im Februar unter Auflagen zunächst aus der Haft entlassen worden war, wertete seine Verteidigung dies als großen Erfolg. Mit dem BGH-Urteil vom Donnerstag dürfte sich die Stimmungslage jedoch geändert haben.

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