Die bisherige Außenministerin entschied die Kadima-Wahlen für sich. Der zeitpunkt des Rückzugs von Ministerpräsident Olmert ist weiter offen.
Einen Tag nach ihrem Wahlsieg in der regierenden Kadima-Partei hat die israelische Außenministerin Tzipi Livni den unter Korruptionsverdacht stehenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert zum raschen Rücktritt aufgefordert. Der Staat Israel stehe vor keinen einfachen Herausforderungen, und es bleibe deshalb keine Zeit, "mit Politik herumzuspielen", sagte die neue Vorsitzende der Kadima. Livni reagierte damit auf Berichte, dass der Zeitpunkt für den geplanten Rücktritt des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert weiter offen sei.
Regierungssprecher Mark Regev sagte am Freitag, dass Olmert am Sonntag nur ein formales Rücktrittsgesuch bei Präsident Shimon Peres einreichen wolle. Danach seien allerdings noch Absprachen zwischen Peres und Olmert über den genauen Zeitpunkt des eigentlichen Rücktritts notwendig. Dies könne am Sonntag, Montag oder aber erst nach Peres' Rückkehr von der UNO-Generalversammlung Ende des Monats sein.
Livni ruft Partei zu Geschlossenheit auf
Tzipi Livni hat
die Kadima ("Vorwärts") zur Geschlossenheit aufgerufen. "Wir müssen schnell
handeln", sagte sie am Freitag vor Abgeordneten ihrer Partei in Petah Tikwa.
"Wir haben keine Zeit mit politischem Gezänk zu verschwenden." Die
50-Jährige trat am Freitag erstmals in ihrer neuen Funktion vor der Fraktion
auf. "In der Kadima gibt es keine Lager. Die Rivalitäten von gestern sind
vorbei. Kadima muss geschlossen bleiben", sagte Livni
Sieg für Livni
Am Donnerstag wurde Livni mit 43,1 Prozent
der Stimmen zur Parteivorsitzenden gewählt. Sie lag damit äußerst knapp vor
ihren Konkurrenten, dem Verkehrsminister und Ex-Armeechef Shaul Mofaz, der
42 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Das bedeutet einen
Vorsprung von 431 Stimmen für Livni.
Rücktritt von Olmert
Der bisherige Kadima-Chef und
Ministerpräsident Ehud Olmert steht wegen Korruptionsermittlungen in der
Kritik und wird am Sonntag zurücktreten. In Israel wird nun mit mühevollen
Koalitionsverhandlungen gerechnet, die in vorgezogene Wahlen münden können.
Olmert bliebe während dieser Zeit kommissarisch im Amt.
Neue Regierung
Nach ihrem knappen Sieg will Tzipi Livni "schnellstmöglich"
eine neue Regierung bilden. Das kündigte die 50-jährige Politikerin am
Donnerstagmorgen in Jerusalem an. Sie werde ab Freitag mit den Vertretern
der im Parlament vertretenen Parteien zusammentreffen, "um
schnellstmöglich eine neue Koalition zu bilden", sagte Livni vor
Journalisten in Jerusalem.
Im Gegensatz zu Olmert hat Livni die Reputation einer integren Persönlichkeit. Während ihr Kontrahent Mofaz in den Beziehungen mit den Palästinensern als "Falke" gilt, sprach Livni sich wiederholt für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Palästinenser im Westjordanland aus.
Kein Automatismus
Die Wahl der neuen Kadima-Vorsitzenden zur
israelischen Regierungschefin ist kein Automatismus. Staatspräsident Shimon
Peres muss ihr innerhalb von sieben Tagen den Auftrag erteilen, bei den
komplizierten Mehrheitsverhältnissen in der Knesset eine Koalition zu
bilden. Der Chef der orthodoxen Shas-Partei, Eli Yischai, erklärte bereits,
seine Formation werde sich nur an der künftigen Regierung beteiligen, wenn
den Palästinensern keine Konzessionen zum Status von Ost-Jerusalem gemacht
würden. Wenn Livni innerhalb von 42 Tagen keine Regierung bilden kann,
werden vorgezogene Neuwahlen erforderlich.
Sollte sich der innerparteiliche Sieger einer Mehrheit im Parlament sicher sein, kann der Wechsel an der Regierungsspitze aber auch direkt erfolgen. Die derzeitige Koalition aus Kadima, Arbeitspartei und orthodoxer Shas hätte bei Neuwahlen derzeit nur schlechte Chancen: Umfragen zufolge liegt der rechte Likud unter Benjamin Netanyahu vorn.
Palästinensische Autonomiebehörde begrüßt die Wahl
Die
Palästinensische Autonomiebehörde von Präsident Mahmoud Abbas hat die Wahl
von Außenministerin Tzipi Livni zur neuen Vorsitzenden der Kadima-Partei
begrüßt. Livni sei "tief in den Friedensprozess involviert
und wir denken daher, dass sie gemeinsam mit uns weiter nach einer
Friedenslösung suchen wird", sagte Abbas-Berater Saeb Erekat vor
Journalisten in Ramallah.
Livni leitet seit Jänner die Verhandlungen mit
den Palästinensern. Sie ist für eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost, während
ihr Rivale Shaul Mofaz Verhandlungen über eine endgültige Friedensregelung
aufschieben wollte.
Hamas gegen Regierung unter Livni
Die radikale
Palästinenserorganisation Hamas kritisierte eine mögliche Regierung unter
der derzeitigen Außenministerin scharf. Sollte Livni in Israel an die Macht
kommen, wäre dies die "Fortsetzung einer Politik der Unterdrückung
und Aggression gegenüber dem palästinensischen Volk",
erklärte ein Hamas-Sprecher Fawsi Barhum. "Aus diesem Grund werden
wir den Widerstand als Strategie zur Durchsetzung unserer Rechte
aufrechterhalten."