Die britische Justiz will die Auslieferung des russischen Geschäftsmannes Andrej Lugowoj beantragen und ihn möglicherweise wegen des Mordes an dem ehemaligen Geheimagenten Alexander Litwinenko vor Gericht stellen.
Wie die Tageszeitung "The Guardian" unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, liegt ein entsprechender Antrag von Scotland Yard den Anklagebehörden vor, demzufolge es genügend Hinweise gebe, um Lugowoj den Prozess zu machen. Der ehemalige KGB-Mann und heutige Geschäftsmann bestreitet alle Vorwürfe.
Lugowoj war im Hotel
Lugowoj, 41, war gemeinsam mit seinem
Ex-Kollegen Dmitri Kowtun, 42, am 1. November in einer Londoner Hotelbar mit
Litwinenko zusammengetroffen. An diesem Tag soll der 2001 nach
Großbritannien übergelaufene Litwinenko mit einer hohen Dosis des
radioaktiven Polonium-210 vergiftet worden sein. Schon wenige Stunden später
klagte er über Übelkeit, am 23. November starb er in einem Londoner
Krankenhaus im 44. Lebensjahr. In seiner letzten Botschaft an die
Öffentlichkeit machte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin für
seinen Tod verantwortlich.
Beide Zimmer verseucht
In der Hotelbar und in Zimmern des
Millennium-Hotels im Zentrum Londons, wo die beiden heutigen Geschäftsleute
Kowtun und Lugowoj übernachtet hatten, wurden radioaktive Spuren gefunden.
Worüber sie mit Litwinenko sprachen, ist bis heute unklar. Angeblich ging es
um "Geschäfte". Beide verdienen heute im Sicherheitsbereich ihr Geld.
Litwinenko hingegen soll ständig auf der Suche nach neuen Einnahmequellen
gewesen sein.
Lugowoj beteuert Unschuld
Unmittelbar nach dem Mord an Litwinenko
erklärte Lugowoj zu Hause in Moskau: "Irgend jemand will mir eine Falle
stellen. Ich weiß nicht, wer. Und ich weiß nicht, warum." Auch in der
vergangenen Nacht betonte er gegenüber dem "Guardian" erneut, mit dem Tod
seines Ex-Kollegen nichts zu tun zu haben. Berichte, dass auch er und Kowtun
mit Polonium vergiftet seien, haben sich mittlerweile als falsch
herausgestellt.
Diplomatie gefährdet
In Londoner Regierungskreisen rechnet
man bereits damit, dass ein Antrag der Justiz auf die Auslieferung Lugowojs
zu schweren diplomatischen Verstimmungen führen wird. Zudem erwartet man im
Gegenzug einen Antrag Moskaus auf die Auslieferung des Ex-Oligarchen Boris
Beresowskij, der in London im politischen Asyl lebt. Der Milliardär ist
nicht nur einer der schärfsten Gegner von Präsident Putin, mit seinem
Reichtum unterstützt er auch Kreml-Kritiker wie Litwinenko oder
tschetschenische Exil-Politiker.
Wenig Erfolgs-Aussicht
In beiden Fällen ist damit zu rechnen,
dass Auslieferungsanträge wenig Aussicht auf Erfolg haben. Die russische
Verfassung schützt Bürger des Landes vor der erzwungenen Überstellung in ein
anderes Land. Auch die Moskauer Staatsanwaltschaft betonte wiederholt, dass
man unter keinen Umständen einen Prozess gegen einen russischen Verdächtigen
im Ausland gestatten werden. Umgekehrt kann sich auch Beresowskij relativ
sicher fühlen: Britischen Gerichte haben anerkannt, dass ihm in seiner
Heimat politische Verfolgung droht. Damit ist er vor einer Auslieferung
geschützt.