Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten im Libanon ist auf den 23. Oktober verschoben worden. Eine Einigung auf einen Konsenskandidaten misslang.
Das libanesische Parlament hat die für Dienstag angesetzt gewesene Wahl eines neuen Staatspräsidenten auf den 23. Oktober verschoben. Das erforderliche Quorum von zwei Dritteln der Abgeordneten war nicht gegeben, weil die Opposition nur wenige ihrer Parlamentarier zu der Sitzung entsandte. Sie fordert von der antisyrischen Mehrheitskoalition Verhandlungen über einen Konsenskandidaten für die Nachfolge von Staatspräsident Emile Lahoud, dessen Amtszeit am 24. November endet.
Parlamentspräsident Nabih Berri hatte am Vorabend erklärt, der Libanon werde einen von allen politischen Lagern akzeptierten Präsidenten bekommen. Nach einer Unterredung mit dem maronitischen Patriarchen, Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir, in dessen Residenz in Bkerke sagte der zur Opposition gehörende schiitische Politiker: "Noch vor dem 24. November wird der Libanon einen Präsidenten der Republik haben als Frucht einer Verständigung zwischen allen Libanesen". Er sei optimistisch, dass es bis dahin zu einer für alle Seiten annehmbaren Lösung kommen werde, betonte Berri nach dem Treffen mit dem mächtigen Kirchenoberhaupt. Der libanesische Staatspräsident muss aufgrund des Konfessionsproporzes maronitischer Christ sein.
Schwere Vorwürfe an die Opposition
Wegen des
Nichtzustandekommens der Wahl hat die antisyrische Koalition schwere
Vorwürfe gegen die Opposition erhoben. Vertreter der Mehrheit sprachen von
einem "Boykott des Vaterlandes". Der Drusenführer und Chef der
Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP) Walid Joumblatt richtete die bisher
heftigsten Angriffe gegen die schiitische Hisbollah, die er beschuldigte,
"den libanesischen Staat zerstören" zu wollen. Die Hisbollah übe "alle
Formen des politischen und intellektuellen Terrors" aus und begehe
Landesverrat, sagte Joumblatt, der erstmals dafür eintrat, den Begriff des
"nationalen Widerstands" gegen Israel neu zu definieren. Bisher wurde die
Hisbollah-Miliz, die mit ihren Aktionen 2006 den 34-Tage-Krieg mit Israel
provoziert hatte, von allen politischen Lagern im Libanon als "nationaler
Widerstand" anerkannt. Die pro-iranische Hisbollah stelle sich gegen die
Souveränität des Libanon, so der PSP-Chef. "Diese totalitäre Partei setzt
zum Sturm auf den Staat an, um stärker zu sein als er", betonte er.
Die beiden schiitischen Parteien Hisbollah und Amal und die mit ihnen verbündete christliche "Freie Patriotische Bewegung" des Ex-Armeechefs General Michel Aoun fordern die Aufnahme von Allparteienverhandlungen über eine Konsenskandidatur. Zuletzt gab es vier deklarierte Kandidaten aus dem Regierungslager: Justizminister Charles Rizk (72), der ehemalige Unterrichts- und Kulturminister Boutros Harb (63), der Vorsitzende des parlamentarischen Justizausschusses Robert Ghanem (65) und der Chef der "Demokratischen Erneuerungsbewegung", Nassib Lahoud (62), ein Cousin des derzeitigen Staatsoberhauptes. Einziger Kandidat der Opposition ist Aoun.