Zum gespannten Verhältnis zwischen Moskau und Minsk im Ölstreit gibt es zahlreiche Kommentare in internationalen Zeitungen.
"Wedomosti" (Russland):
"Der Konflikt mit
Weißrussland hat in Europa die gleiche Sorge hervorgerufen wie der
"Gaskrieg" mit der Ukraine vor einem Jahr. Dabei macht Russland eigentlich
nichts Neues, sondern baut weiter die politischen Diskontpreise für die
Nachbarn ab. Es will die Erlöse aus dem Energieexport steigern und
gleichzeitig auf die europäischen Märkte vordringen. Auch die Europäer
machen nichts Neues. Ihre Priorität ist weiterhin, sichere Energiequellen zu
haben und nicht zu abhängig von Russland zu werden. Also verhalten sich
beide Seiten so wie immer. Gleichzeitig hören sie nicht auf, sich
übereinander zu wundern."
"The Guardian" (Großbritannien):
"Man muss auch
die russische Sicht der Dinge berücksichtigen. Der Energie-Nationalismus des
Landes muss im Licht der Ereignisse der 1990er Jahre gesehen werden, als die
Russen nicht nur erleben mussten, wie ihr Weltreich zusammenbrach, sondern
auch einen Rückgang der Durchschnittseinkommen erlitten, der mit dem in den
USA während der großen Depression verglichen werden kann. Wenn die Russen
nun ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellen,
kann man ihnen dies nicht zum Vorwurf machen. Es bleibt unerlässlich,
Geschäfte mit Russland zu machen. Beide Seiten haben ein legitimes Interesse
daran. Eine Beziehung, in der es kein Gleichgewicht gibt, hilft niemandem."
"ABC" (Spanien):
"Es wird allmählich zu einer
Tradition in Europa, dass im Winter einer der Energieversorger mit einem
Stopp seiner Lieferungen droht. Die Europäer legen eine zunehmende Schwäche
an den Tag. Sie hängen von Lieferungen aus dem Ausland ab und sind nicht in
der Lage, auf dem Markt als eine echte Einheit aufzutreten und ihre
Interessen gegenüber den Lieferstaaten effektiv zu verteidigen. Unter der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollte eine Debatte über Formeln zu
Sicherstellung der Energieversorgung geführt werden. Dabei darf auch die
Option der Kernenergie nicht ausgeklammert werden. Russland erweist sich bei
der Energieversorgung nicht als ein vertrauenswürdiger Partner. Und wenn
Präsident Wladimir Putin seine Haltung nicht ändert, wird diese Krise nicht
die letzte gewesen sein."
"Financial Times" (Großbritannien):
"Man muss
gerechterweise zugeben, dass Putin gute Gründe dafür hat, über den
weißrussischen Staatschef Wladimir Lukaschenko verärgert zu sein. Aber Putin
muss erkennen, dass er selbst seinen Teil der Verantwortung an diesem
weißrussischen Prahler trägt. Ohne Moskaus Unterstützung hätte Lukaschenko
seine Macht wahrscheinlich schon längst verloren. Dies ist für die EU der
Haken. Einerseits will sie zu Recht, dass Europa Lukaschenko los wird.
Andererseits darf sie nicht erlauben, dass Russland die politische Kontrolle
in Weißrussland übernimmt und schon gar nicht es annektiert. Solch ein
Triumph für den Kreml wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für das russische
Verhältnis zu anderen verletzbaren ehemaligen Sowjetrepubliken wie Georgien
oder die Ukraine."
"Nepszabadsag" (Ungarn):
"Es ist zu befürchten, dass
die immer wieder aufflammenden Streitigkeiten zwischen dem einstigen
Sowjet-Imperium und seinen Vorhöfen zum Regelfall werden und sich in die
Länge ziehen. Dagegen gibt es nämlich keine schnell wirkende europäische
Rezeptur. Die von der russischen Energie am stärksten abhängenden ehemaligen
sozialistischen Länder können auch nur auf den politischen Schutzschirm der
EU vertrauen. Und darauf, dass es letztlich in jedermanns Interesse ist,
dass das Geschäft weiter läuft. Dass dieses - im Rückblick betrachtet - zur
Zeit des Bestehens der Sowjetunion am besten lief, ist ein Treppenwitz der
Geschichte."