Rumpfkabinett

Regierungskrise im Libanon

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Die politische Krise im Libanon hat sich am Montag mit dem Rücktritt eines sechsten Ministers weiter zugespitzt.

Nach den fünf schiitischen Kabinetts-Mitgliedern demissionierte auch der christliche Umweltminister Yacoub Sarraf mit der Begründung, die Regierung von Premier Fouad Siniora habe ihre "verfassungsmäßige Legitimität" verloren, wenn eine der großen konfessionellen Gemeinschaften des Landes nicht mehr repräsentiert sei. Der griechisch-orthodoxe Politiker schloss sich damit der Position des maronitischen Staatspräsidenten Emile Lahoud an, der als Vertrauensmann Syriens gilt und das Rumpfkabinett am Sonntag für "illegitim" und nicht mehr verfassungskonform erklärt hat.

Sondertribunal
In Abwesenheit der zurückgetretenen Minister, darunter Außenminister Faouzi Salloukh, hat das Kabinett am Montag in Beirut der Bildung eines Sondertribunals zugestimmt, das die Verantwortlichen für den Mord am ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri zur Rechenschaft ziehen soll. Eine UNO-Untersuchungs-Kommission unter Leitung des belgischen Sonderermittlers Serge Brammertz und seines deutschen Vorgängers Detlev Mehlis verdächtigt syrische Geheimdienste und deren libanesische Handlanger, Drahtzieher des Attentats gewesen zu sein.

UNO-Ermittler hatten am Wiener UNO-Sitz unter anderen den früheren Chef des syrischen Militärgeheimdienstes im Libanon, Generalleutnant Rustom Ghazali, befragt. Im Zusammenhang mit dem Attentat wurden vier ranghohe libanesische Generäle festgenommen. "Unser Ziel ist Gerechtigkeit", sagte Premier Siniora. So lange die Wahrheit über den Anschlag nicht bekannt sei, "werden die Libanesen nicht ruhen".

Tribunal in Zypern
Laut einem Resolutionsentwurf des UNO-Sicherheitsrats sollen die Verdächtigen vor ein mit libanesischen und ausländischen Richtern besetztes Gericht gestellt werden. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat angedeutet, das Tribunal sollte aus Sicherheitsgründen außerhalb des Libanon, möglicherweise in Zypern, tagen.

Tod durch Autobombe
Hariri war am 14. Februar 2005 bei der Explosion einer Autobombe in Beirut ums Leben gekommen; 22 weitere Menschen verloren dabei das Leben. Die durch das Attentat erzeugte politische Dynamik und internationaler Druck führten im April 2005 zum Abzug der syrischen Truppen aus dem kleinen Nachbarland nach 29 Jahren. Der Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges (1975-90) hatte Syrien die Gelegenheit geboten, 1976 als Ordnungsmacht mit einem Mandat der Arabischen Liga im Libanon zu intervenieren.

Hariris Sohn Saad, Chef der antisyrischen Mehrheitskoalition im Parlament, warf den Schiiten-Parteien vor, sie folgten dem Diktat Syriens und des Iran. "Der Plan ist jetzt aufgedeckt, es gibt eine iranisch-syrische Verschwörung, deren Ziel es ist, das internationale Tribunal zu verhindern", erklärte Hariri am Sonntagabend. Die schiitische Hisbollah unter ihrem Führer Hassan Nasrallah und die Amal-Bewegung von Parlamentspräsident Nabih Berri beanspruchen zusammen mit ihrem christlich-maronitischen Verbündeten Ex-General Michel Aoun, Chef der oppositionellen "Freien Patriotischen Bewegung" (CPL), ein Drittel der 24 Kabinettsposten und damit eine Sperrminorität.

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