In der Schweiz kochen die Emotionen hoch: Am Sonntag steht die Einbürgerungspolitik auf dem Prüfstand. Ein Online-Game der SVP sorgt für Wirbel.
Wie schon so oft sorgt die Schweizerische Volkspartei (SVP) mit einem ihrer Begehren für Unmut. Mit der Volksinitiative "für demokratische Einbürgerungen" und dem Argument, "Masseneinbürgerungen" einen Riegel vorzuschieben, will sie erreichen, dass ausschließlich die Gemeinden selbst bestimmen, wer einen Schweizer Pass erhält. "Richter und Behörden" sollen dabei schweigen. Ein breites Parteienspektrum kämpft entschieden gegen dieses Ansinnen. Die Regierung (Bundesrat) sieht durch die Vorlage die Tür für Willkür und Diskriminierung bei Einbürgerungen weit geöffnet. Das berichten die Schweizer Medien.
Skandal-Online-Spiel
Ein Online-Spiel der SVP sorgt im Wahlkampf
zudem für viel Wirbel: Dargestellt ist ein Schweizer Rathaus, welches
wahllos Pässe hinausschleudert - in eine Menge, die ihre Hände in die Höhe
streckt, um eines der begehrten Dokumente zu fangen. Ein Ziegenbock
dazwischen frisst die Pässe. Der User muss nun verhindern, dass diese die
Menge erreichen. Kritiker monieren die besonders rassistischen Motive. Auch
ein Mitglied der Grünen muss "abgeschossen" werden. Bevor man
zu dem eigentlichen Game bekommt, muss eine tendenziöse Frage nach der Zahl
der Einbürgerungen beantwortet werden. Hier
geht`s zum Skandal-Spiel.
"Schwarzer Tag für Volksrechte"
Die politischen
Fronten sind in der Schweiz klar umrissen: Für die auch "Einbürgerungsinitiative"
genannte Vorlage stehen die rechtskonservative SVP mit ihren
isolationistischen Maximen und einige kleine Rechtsaußenkräfte ein. So
warnte etwa SVP-Parteipräsident Toni Brunner vor einem "schwarzen
Tag für die Volksrechte", sollte die Vorlage bei der Abstimmung am
1. Juni verworfen werden.
(c) Reuters, Blick in das Schweizer National-Parlament
Demgegenüber stehen die meisten anderen politischen Kräfte. Auf Unverständnis stößt insbesondere das Ansinnen der Initiantin SVP, dass ablehnende Entscheide des zuständigen Gemeindeorgans endgültig wären. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (SVP), als Parteimitglied auf der Abschussliste ihrer eigenen Leute, sagte neulich gegenüber der APA, aus Sicht der Regierung wäre das eines Rechtsstaats nicht würdig.
Experte: Internationales Recht würde verletzt
Justizexperte Andreas Auer von der Universität Zürich erklärte dazu, die
Stimmbürger sollten vor der Abstimmung wissen, "dass die Schweiz
bei der Umsetzung internationales Recht verletzen würde". Schuld
daran sei insbesondere die fehlende Rekursmöglichkeit. Es ist nicht klar, ob
die Initiative im Falle eines Ja ohne Abstriche umgesetzt werden könnte.
Angezweifelt wird auch die von der SVP geschürte Angst vor Masseneinbürgerungen. Medien sprachen nicht zuletzt von Tricksereien mit der Statistik, und ein Recht auf Einbürgerung existiert in der Schweiz nicht.
Sollte die Einbürgerungsinitiative gutgeheißen werden, befürchten Widmer-Schlumpf und andere Politiker einen regelrechten "Einbürgerungstourismus" in einigen Gebieten. Da nur noch die Gemeinden die Auswahlkriterien festlegen und Bund und Kantone nichts mehr zu sagen hätten, dürfte die Messlatte für Einbürgerungswillige von Kommune zu Kommune unterschiedlich hoch sein.
Die Gemeinden hätten es dann auch in der Hand, die Organe zu bestimmen, die für Einbürgerungsentscheide zuständig sind - zum Beispiel Kommissionen, Gemeindeversammlungen oder die Bürger selbst an der Urne. Letzteres wurde 2003 wegen Willkürentscheiden vom Bundesgericht faktisch verboten.
Abstimmung im Schatten der EURO
Dass die
Einbürgerungsinitiative zum "Schutz der direkten Demokratie"
auch international von sich Reden macht, erscheint sicher. Das
Abstimmungsdatum am 1. Juni weckte bei seiner Festlegung Besorgnis, weil
sechs Tage später die EURO 2008 beginnt und die Augen der Welt somit schon
auf den Co-Gastgeber der Fußball-EM gerichtet sein dürften.
Die Meinungsforscher scheuen sich zwar, den Abstimmungsausgang genau vorherzusagen, die Nase vorn haben aber die Gegner: In der kürzlich publizierten letzten Erhebung vor der Abstimmung sprachen sich 56 Prozent der Befragten für ein Nein aus und lediglich ein Drittel dafür. Bei der ersten Umfrage vor rund einem Monat sah es anders aus.
Eine relative Mehrheit von knapp 50 Prozent setzte sich für die Vorlage ein. Wird die Initiative abgelehnt, tritt ein indirekter Gegenvorschlag in Kraft, der die Begründungspflicht für und eine Rekursmöglichkeit gegen Einbürgerungsentscheide festschreibt.