Könnte politischer Turbo sein

Stormy-Daniels-Affäre: Hilft Trump Anklage im Wahlkampf?

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Vor Richter: Mit so einem Gesichtsausdruck hat man Trump noch nie gesehen.

New York. Die Mine stoisch, fast traurig. Die Körperhaltung leicht gebeugt. Fast wie in Zeitlupe betrat er am Dienstag den Gerichtssaal in New York. 34 Verbrechen werden ihm vorgeworfen – alles wegen eines früheren Schweigegeldes von 130.000 Dollar an Sexfilm-Darstellerin Stormy Daniels.

Sex am Lake Tahoe? Sie behauptet, sie hätten 2006 Sex gehabt in einem Ressort in Lake Tahoe (Kalifornien). Details wie das fliegenpilz-förmige Geschlechtsorgan des damaligen Immobilien-Magnaten sind – für alle mit starkem Magen – nachzulesen in ihrer Bio „Full Disclosure“. Er streitet es ab, schimpft sie „Pferdegesicht“. Trotzdem: Ausgerechnet wegen dieser Affäre droht jetzt der Knast.

Gattin wendet sich ab. Trump droht auch das Ende seiner Ehe mit Ex-Model Melania. Während Trump die ganze Woche im Rampenlicht stand, war sie auf Tauchstation.

Trump dankt allen – bis auf Melania. Besonders auffällig: Bei seiner Wutrede im Ressort Mar-a-Lago (Florida) nach der Anklage fehlte sie – und er dankte ausschließlich und explizit nur seinen Kindern. Melania? Kein Wort…

Politisch hilft Anklage, privat ist sie ein Desaster

Das Dilemma für den Ex-Präsidenten: Politisch ist die New Yorker Anklage zumindest kurzfristig wie Raketentreibstoff. Privat aber ein Desaster.
Beim Vorwahlkampf jedenfalls fallen für Trump die Dominos, fast könnte er Manhattans Staatsanwalt Alvin Bragg eine Dankeskarte schicken: Seine Anhänger sind mobilisiert, die Republikaner-Partei schließt hinter ihm die Reihen. Als „Opfer einer liberalen Polit-Justiz“, wie er sich sieht, hat der 76-Jährige ein griffiges Wahlkampfthema.

Bragg selbst lieferte hier genug Munition: Die Anklagebegründung wurde selbst von Trump-kritischen Experten als weitergehend an den Haaren herbeigezogen verurteilt.

Wahlkampf-Turbo. Trump hatte bereits vergangenen November seine Kandidatur fürs Weiße Haus 2024 bekannt geben. Im Vorwahlkampf muss er sich im Feld der Republikane durchsetzen. Hier kann die juristische Farce, wie viele sagen, die Vorentscheidung sein: Gegen seinen Hauptgegner, Florida-Gouverneur Ron DeSantis, ist er in einer „Yahoo News/YouGov“-Umfrage mit 57 zu 31 % weit davongezogen.

Trump ist jetzt wieder Republikaner-Favorit

Wende. Es ist eine erstaunliche Wende: Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Republikaner bei den „Midterm“-Kongresswahlen, das Trump angekreidet wurde, schien er bereits am Abstellgleis. Die Partei wollte mit frischen Gesichtern nach vorne blicken. Jetzt ist Trump wieder obenauf. Besonders auch durch den offenbar politisch getriebenen Staatsanwalt in Lower Manhattan. Obendrein: Der Prozess könnte knapp vor dem Beginn der „Primaries“ (Vorwahlen) Anfang 2024 beginnen. Das könnte Trump – aufgrund des jetzigen Auftriebs – eigentlich gefallen.

Selbst bei Verurteilung kann er Präsident werden

Ehe in Trümmern. Was aber seine Ehe betrifft, gilt eine andere Gleichung: Bei dem New Yorker Verfahren wird nicht nur die Stormy-Affäre durchleuchtet (mit ihr als mögliche Zeugin), sondern auch eine weitere angebliche Beziehung mit Ex-Playboy-Model Karen McDougal. Sie erhielt 150.000 Dollar, um zu schweigen.

Zur Sprache sollen auch die Aussagen eines Trump-Tower-Türstehers kommen, der behauptete, Trump hätte ein uneheliches Kind gezeugt. Dino Sajudin kassierte 30.000 Dollar. Nichts davon dürfte Melanias Laune steigern. Und vor niemanden habe Trump so viel Bammel, als vor ihr, schrieb einmal Biograf Tim O’Brian.

New York könnte nur der Auftakt einer wahren Anklagewelle gewesen sein. Bei drei weiteren Untersuchungen (versuchte Beeinflussung des Wahlresultats in Georgia, der Kapitol-Sturm und die Aufbewahrung von Top-Secret-Akten in Mar-a-Lago) sind die Ermittlungen weit fortgeschritten.

Aus der Zelle. Selbst bei einer Verurteilung müsste Trump den Wahlkampf nicht aufgeben. Theoretisch könnte er die Weltmacht sogar von einer Zelle aus führen. An ein solches Szenario hat niemand bei der Erstellung der US-Verfassung gedacht…

Herbert Bauernebel

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