Ryanair

Auch Österreicher an Bord

Weißrussland zwang Linienflug zur Landung: Zwei Passagiere festgenommen

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Der weißrussische Lukaschenko holte am heutigen Sonntag einen Linienflug aus dem Luftraum seines Landes. An Bord befand sich ein berühmter Oppositioneller.

Am Sonntagnachmittag kam es in der weißrussischen Hauptstadt Minsk zu einer ungeplanten Landung eines Linienflugs von Griechenland nach Litauen. Zunächst nannten Behörden Sicherheitsbedenken als Grund für die Ablenkung des Flugzeuges durch Weißrussland. Dann stellte sich heraus: An Bord befand sich mit Roman Protassewitsch einer der prominentesten oppositionellen Blogger Weißrusslands, der nach der Landung festgenommen worden sein soll. Exilpolitiker Pawel Latuschko sprach von einem "Akt des internationalen Terrorismus". Litauen forderte eine Reaktion von EU und NATO. Auch Österreichs Außenministerium kritisierte die Umleitung. Offenbar befand sich auch ein Österreicher an Bord der Maschine.

Grafik zeigt den Weg des über Weißrussland abgeleiteten Flugzeugs
© oe24
× Grafik zeigt den Weg des über Weißrussland abgeleiteten Flugzeugs

Angeblich Bombe an Bord

Wenige Minuten bevor die Boeing 737 der irischen Fluggesellschaft Ryanair kurz vor 13 Uhr Ortszeit den weißrussischen Luftraum wieder verlassen und über Litauen mit dem Landeanflug auf Vilnius begonnen hätte, hatte sie überraschend abgedreht und war schließlich in Minsk gelandet. Es habe Informationen über eine Bombe an Bord gegeben und Präsident Alexander Lukaschenko habe deshalb den Befehl erteilt, den Flug umzuleiten und zu empfangen, berichtete der regimenahe weißrussische Telegramkanal "Pul Pervogo" am Nachmittag. Explosive Stoffe seien jedoch nicht gefunden worden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Belta.

An Bord des Flugzeugs befand sich mit dem ehemaligen Chefredakteur des führenden oppositionellen Telegramkanals "NEXTA" Roman Protassewitsch einer der bekanntesten Blogger Weißrusslands (Belarus). Protassewitsch, der zuletzt im Exil lebte, wurde laut Medienberichten nach der Landung festgenommen. Neben Protassewitsch wurde am Sonntag eine russische Passagierin festgenommen, bestätigte der außenpolitische Berater von Swetlana Tichonowskaja, Franak Wjatschorka, auf APA-Nachfrage. Die Festgenommene sei in Vilnius als freiwillige Aktivistin tätig, erklärte er. 

Statement von Ryanair

Die Fluglinie Ryanair bestätigte, dass die Besatzung des Fluges von weißrussischer Seite über eine mögliche Sicherheitsbedrohung an Bord in Kenntnis gesetzt und angewiesen worden sei, zum nächstgelegenen Flughafen in Minsk zu fliegen. Die Maschine sei sicher gelandet und die Passagiere seien von Bord gegangen, während die lokalen Behörden Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt hätten. Dabei sei nichts Ungewöhnliches gefunden worden. Die Behörden hätten daraufhin genehmigt, dass das Flugzeug nach schätzungsweise fünf Stunden am Boden wieder zusammen mit Passagieren und Crew starten könne. 

Internationale Kritik 

Der Vorfall sorgt für heftige Kritik vonseiten zahlreicher EU-Staaten, sowie durch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. "Alle Passagiere müssen ihre Reise umgehend fortsetzen können", forderte Borrell am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter und verlangte damit ausdrücklich auch die Freilassung des Exil-Oppositionellen Roman Protassewitsch.

Die Fluggäste und Crew des Ryanair-Fluges seien auf ihrem Weg von Athen nach Vilnius in Gefahr gebracht worden, erklärte die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte am Sonntagnachmittag auf Twitter. "Wir fordern, dass dem Flugzeug und den Passagieren erlaubt wird, sofort nach Vilnius zu fliegen!" 

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda protestierte am Sonntag umgehend gegen die erzwungene Zwischenlandung und Protasewitschs Festnahme. Nauseda forderte die Verbündeten Litauens in EU und NATO zu umgehenden Reaktionen auf.

Auch das Außenministerium sprach von "alarmierenden Berichten" und forderte "eine unabhängige internationale Untersuchung dieses Vorfalls". Alle Passagiere müssten ihre Reisen fortsetzen dürfen, forderte das Außenministerium auf Twitter und forderte "dringend die Freilassung des Aktivisten Roman Protassewitsch".

Österreicher an Bord

Das Außenministerium in Wien bestätigte am Abend gegenüber der APA, dass sich ein österreichischer Staatsbürger an Bord des Flugzeugs befunden hatte. Die österreichische Botschafterin in Minsk begab sich zum Flughafen, um sich ein Bild der Lage zu machen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnete die Aktion als einen "Akt des Staatsterrorismus". Er verurteile "auf das Schärfste die Festnahme von Roman Protassewitsch durch belarussische Behörden, nachdem ein Passagierflugzeug von Ryanair entführt worden ist", so Morawiecki auf Twitter.

 

 

 

Die deutsche Regierung forderte ebenfalls eine "sofortige Erklärung" von Weißrussland. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Miguel Berger, schrieb am Sonntag im Onlinedienst Twitter, eine "sofortige Erklärung" sei nötig. 

"Geheimdienstoperation zur Flugzeugentführung"

"Es ist absolut offensichtlich, dass dies eine Geheimdienstoperation zur Flugzeugentführung war, um den Aktivisten und Blogger Roman Protassewitsch zu verhaften", kritisierte die im Exil lebende weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Ab dem heutigen Tag sei klar, dass sich niemand, der über Weißrussland fliegt, in Sicherheit wiegen könne, sagte sie.

Oppositionspolitiker Pawel Latuschko ergänzte, dass dem Blogger in seiner Heimat die Todesstrafe drohe. Er forderte eine sofortige internationale Aufklärung des Zwischenfalls und eine Untersuchung, ob der internationale zivile Flugverkehr über Belarus einstweilen eingestellt werden soll.

Die Behörden in Weißrussland hatten "NEXTA" als extremistisch eingestuft. Der Kanal hatte im vergangenen Jahr nach der umstrittenen Präsidentenwahl immer wieder zu Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen. Der Geheimdienst KGB hatte den Journalisten Protassewitsch auf eine Liste mit Menschen setzen lassen, denen die Beteiligung an terroristischen Handlungen vorgeworfen werde, wie das Portal tut.by bei Telegram berichtete.
 

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