Russland drehte Tschechien den Ölhahn zu. Aber nicht aus politischen Gründen. Technische Probleme sollen schuld an der gedrosselten Lieferung sein.
Die plötzlich gedrosselten Öllieferungen nach Tschechien hängen nach Angaben Russlands nicht mit der geplanten Stationierung eines US-Radars in Böhmen zusammen. Zwei russische Firmen hätten die Menge aus Gründen verringert, die das Weiterverarbeiten des Öls beträfen, sagte ein Behördensprecher am Montag in Moskau der Agentur Interfax. Die Lieferung werde "zwar nicht schon morgen, aber bald" kompensiert. Damit kommentierte er Spekulationen, Russland könnte seine Energielieferungen als Druckmittel gegenüber Prag einsetzen. "Es hat nichts mit Politik zu tun. Es ist purer Handel", betonte der Sprecher.
Vergeltung für US-Raketenschild
In Tschechien gab es
zunächst Spekulationen, wonach es sich um eine "Vergeltungsmaßnahme"
Russlands für die Pläne Prags und Washingtons handeln könnte, auf
tschechischem Territorium eine Radaranlage - Bestandteil des geplanten
US-Raketenabwehrsystems in Zentraleuropa - handeln könnte. Anfang dieser
Woche hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice mit ihrem tschechischen
Amtskollegen Karl Schwarzenberg einen entsprechenden Vertrag in Prag
unterzeichnet.
"Ich denke, das ist eine Form politischer Druckausübung. Das ist ein erhobener Finger", meinte der Analyst der Firma "Cyrrus", Jan Prochazka, gegenüber der Tageszeitung "Lidove noviny". Das Blatt "Pravo" betitelte einen Bericht mit den Worten: "Russland drosselt uns das Erdöl. Ist das eine Rache für das Radar?"
Außenamt: Kein Kommentar
Das tschechische Außenministerium
wollte keine voreiligen Kommentare abgeben. "Wir wollen darüber nicht
spekulieren. Es könnte sich um ein technisches Problem handeln. Wir
kommunizieren mit Russland und warten, was sie uns sagen", erklärte
Außenamtssprecherin Zuzana Opletalova. Eventuelle absichtliche Reduktionen
der Erdöllieferungen hätten nach ihrer Auffassung keinen Sinn, weil
Tschechien seit 1996 auch an das westliche Pipelinesystem angebunden sei.
Auch das Prager Industrie- und Handelsministerium will die Situation nicht dramatisieren. Die Erdölvorräte Tschechiens reichten für 95 Tage, betonte Minister Marin Riman. Außerdem sei es gelungen, die fehlende Menge des Rohstoffes aus Russland durch Lieferungen aus anderen Quellen - durch die aus dem deutschen Ingolstadt führende Pipeline (IKL) - zu ersetzen. Das Ministerium wies auch darauf hin, dass es im Falle des russischen Erdgases zu keinen Kürzungen der Lieferungen gekommen sei.
5 Millionen Tonnen pro Jahr
Der tschechische petrochemische
Konzern Unipetrol, wo das Erdöl verarbeitet wird, spricht von "technisch-organisatorischen
Problemen" in Russland. Was darunter zu verstehen ist, präzisierte der
Konzern nicht. "Unsere Produktion wird dadurch nicht gestört",
versicherte die Unipetrol-Sprecherin Blanka Ruzickova. Durch die Pipeline "Druschba"
werden jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Erdöl nach Tschechien importiert.
Durch die Pipeline IKL sind es fast drei Millionen Tonnen jährlich.