Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften im Irak sind binnen 36 Stunden mindestens zehn Menschen von Sicherheitskräften getötet worden.
Bagdad. Im Zentrum von Bagdad kam es in der Nacht zum Dienstag zu Zusammenstößen auf Brücken, die zur iranischen Botschaft sowie zu Regierungsbüros, dem Außen- und Justizministerium führen.
Demonstranten warfen mit Steinen, Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein und schossen auch auf die Demonstrierenden. Dabei wurden nach Angaben von Ärzten zwei Menschen getötet.
In der südirakischen Provinz Basra blockierten Demonstranten erneut Straßen zu dem für den Import wichtigen Hafen Um Kasr. Nach Angaben der Hafenverwaltung verließen die meisten Schiffe den Hafen wieder, ohne ihre Ladung gelöscht zu haben. Am frühen Dienstagmorgen starben dort zwei Demonstranten, als Sicherheitskräfte schossen, um die Menschen auseinanderzutreiben. Auch im südirakischen Nassirija wurden zwei Demonstranten von Sicherheitskräften getötet. In Nassirija und Diwanija lähmten inzwischen Streikposten die Verwaltungen, wie Korrespondenten von AFP berichteten.
Bereits in der Nacht zum Montag waren in der Schiitenhochburg Kerbela vier Demonstranten getötet worden. Seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Irak am 1. Oktober wurden nach AFP-Informationen landesweit mehr als 270 Menschen getötet.
Als Reaktion auf die Demonstrationen sperrten die Behörden erneut das Internet in Bagdad und im Süden des Landes. Die Nichtregierungsorganisation NetBlocks teilte mit, der Blackout sei "die schwerwiegendste Einschränkung der Telekommunikation seit dem Beginn der Proteste" am 1. Oktober.
Die Behörden hatten das Internet bereits vom 3. bis 17. Oktober gesperrt. Die am 2. Oktober verhängte Blockade sozialer Online-Netzwerke ist weiter in Kraft, wird von vielen Menschen jedoch mit Hilfe eines VPN-Zugangs umgangen.
Um den Protesten Einhalt zu gebieten, haben die Behörden soziale Reformen und vorgezogene Neuwahlen vorgeschlagen. Eine Kommission, die Verfassungsänderungen erarbeiten soll, nahm am Dienstag ihre Arbeit auf. Die Demonstranten fordern jedoch den Sturz der Regierung und ein neues politisches System.
Die Wut der Demonstranten richtet sich seit einigen Tagen zunehmend gegen den Iran. Das Nachbarland hat wie auch die USA großen Einfluss im Irak. Während sich die US-Regierung mit Äußerungen zur Krise in dem Land bisher zurückhielt, reiste der iranische General Ghassem Suleimani im vergangenen Monat mehrfach in den Irak. "Es sind die Iraner, die das Land beherrschen, wir wollen lieber sterben, als unter ihrem Joch zu bleiben", sagte eine Demonstrantin am Dienstag auf dem Tahrir-Platz.