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Arbeitszeitrichtlinie gescheitert

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Die Reform ist gescheitert: EU-Kommissar Spidla droht Ländern, die gegen EU-Bestimmungen verstoßen, mit Klagen.

Die Verhandlungen über eine Reform der EU-Arbeitszeitbestimmungen sind endgültig gescheitert. Nachdem die Arbeitsminister in Brüssel neuerlich keinen Kompromiss gefunden haben und Deutschland bereits angekündigt hat, es werde während seiner Präsidentschaft das Thema nicht aufgreifen, überlegt die EU-Kommission nun den Vorschlag zurückziehen und "so bald wie möglich" EU-Verfahren gegen jene 23 der 25 Mitgliedstaaten starten, die mit ihren Arbeitszeitregeln vor allem in Spitälern gegen EU-Recht verstoßen. Die Kommission hatte damit bisher wegen der Verhandlungen über eine Änderung der Richtlinie zugewartet.

Umstrittene Regelung
Der Vorschlag der finnischen Ratspräsidentschaft "wäre ein sozialer Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation gewesen", verteidigte Sozialkommissar Vladimir Spidla in der Abschluss-Pressekonferenz den gescheiterten Kompromissversuch. Dieser hätte eine Beibehaltung der umstrittenen Ausnahmen ("opt out") von der generellen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorgesehen, allerdings begrenzt mit 60 Stunden pro Woche. Jetzt gebe es "'opt out' ohne sozialen Rahmen und ohne Ende", so der Kommissar.

Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit
Spidla geht auch davon aus, dass viele EU-Staaten nun genau diese Ausnahmen ausnützen werden müssen, um Gesundheits-, Bereitschafts- und Notdienste aufrechtzuerhalten und dennoch nicht neuerlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu landen. Dieser hatte in einem richtungsweisenden Urteil 2003 entschieden, dass Bereitschaftszeit am Arbeitsplatz als Arbeitszeit zu werten ist.

Viele Verstöße
Fast alle Mitgliedstaaten verstoßen in der einen oder anderen Form gegen diesen Grundsatz, darunter auch Österreich, wie Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein am Rande des Treffens bestätigte. Spitalsärzte dürfen nach österreichischem Recht im Zeitraum von Schnitt von vier Monaten bis zu 60 Wochenstunden arbeiten, an einzelnen Tagen bis zu 72 Stunden.

Bartenstein betonte, er habe sich für den Fall, dass die Kommission tatsächlich klagen sollten, als "negative Rückfallposition" immer die Möglichkeit offen gelassen, von dem "opt out", das in der bestehenden Richtlinie von 1993 vorgesehen ist, Gebrauch zu machen. Konkret wäre dafür ein neues Gesetz notwendig. Vorzuziehen wäre aber, wenn die EU-Kommission versuchen würde, die relativ unstrittige Lösung dieses Problems - Unterscheidung zwischen "aktiver" und "nicht aktiver" Bereitschaft - gesondert in Angriff zu nehmen, so der Minister. Auch der deutsche Staatssekretär im Arbeitsministerium Gerd Andres forderte die Kommission auf, eine abgespeckte Version noch dieses Jahr vorzulegen.

Keine klare Position
Die EU-Kommission wollte die Frage eine Herausnahme bestimmter Teile der Richtlinie nicht näher ausführen. Vielen Mitgliedstaaten scheine diese Lösung aber "nicht vernünftig" sagte Spidla. Die finnische Arbeitsministerin und amtierende Ratsvorsitzende Tarja Filatov sagte, eine solche Variante sie andiskutiert worden, die Mitgliedstaaten hätten aber keine klare Position bezogen. Ein Zurückziehen des gesamten Vorschlages sei "eine Möglichkeit, die ich ganz ernst nehme".

Filatov hat das eigens für das Thema Arbeitszeitrichtlinie in Brüssel angesetzten Sondertreffen der EU-Arbeitsminister in Brüssel ergebnislos abgebrochen, nachdem Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland und Zypern den Kompromissvorschlag blockiert hatten und auf einem Auslaufen der Ausnahmen nach spätestens zehn Jahren beharrten.

Spidla unterstrich, Kommission müsse jetzt "die Konsequenzen ziehen" und habe auch schon "Vorarbeiten"geleistet". Es werde "nicht so lange dauern" bis die ersten Verfahren eingeleitet werden.

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