26. Mai 2008 15:52
Im BAWAG-Akt findet sich auch nach der langen Prozessdauer immer wieder noch
Ungewöhnliches: Am Montag wurde der Londoner Mietvertrag von Helmut Elsners
Tochter Marie-Therese Kinsky und seinem Schwiegersohn Karl Kinsky zum
Verhandlungsthema, da der Vertrag im Gerichtsakt in den Ordnern zu den "Sondergeschäften"
der Bank mit Wolfgang Flöttl gefunden worden war. Elsners Schwiegersohn habe
auf Initiative des damaligen BAWAG-Chefs für ihn, Flöttl, in London
gearbeitet, sagte Flöttl - was Elsner heftig bestritt. Karl Kinsky selber
wollte auf telefonische Anfrage keine Stellungnahme dazu abgeben.
Elsner intervenierte für Schwiegersohn
Laut Flöttl hatte
sich Elsner für die Beschäftigung seines Schwiegersohn bei ihm eingesetzt,
und zwar zeitgleich mit dem Abschluss der UniBonds - der neuen Investments
der BAWAG bei Flöttl nach dem ersten großen Verlust 1998. Karl Kinsky habe
dann für ihn von 2000 bis 2003 in London gearbeitet und rund 100.000 Pfund
(125.541 Euro) brutto pro Jahr erhalten. Mit seiner Familie - Elsners
Tochter und drei Kindern - habe Herr Kinsky auch in London gelebt. Die Miete
habe er ihm aber nicht bezahlt, betonte Flöttl. Von den Verlusten mit den
UniBonds habe der Schwiegersohn nichts gewusst, sondern er habe für ihn in
einem anderen Bereich (Fixed Income) gearbeitet und Analysen erstellt.
Elsner widersprach Flöttls Angaben entschieden: Sein Schwiegersohn habe in
London für eine Investmentgruppe gearbeitet, aber sicher nicht für Flöttl.
Er habe ihm auch nicht den Job in London verschafft. Wie der Londoner
Mietvertrag seiner Tochter zu den Ordnern über die Sondergeschäfte komme
könne er sich nicht erklären. In einem Punkt waren sich aber Elsner und
Flöttl einig: Der Schwiegersohn Elsners habe nichts über die hohen Verluste
bei Flöttls Geschäften mit BAWAG-Geldern gewusst.
In informierten Kreisen hieß es heute abseits der Verhandlung, die Londoner
Miete solle rund 3.500 Pfund (4.406 Euro) pro Monat betragen haben. Es gebe
keinen Hinweis darauf, dass die BAWAG die Miete für Elsners Tochter bezahlt
habe. Karl Kinsky selber, der heute bei der Volksbank Invest tätig ist,
wollte überhaupt keine Stellungnahme dazu abgeben.
Fragenmarathon geht weiter
Fortgesetzt wurde heute mit der
Abarbeitung des Fragenmarathons an Gutachter Fritz Kleiner: Bis zur letzten
Frage 1.264 (wenn die Untergliederungen mitgezählt werden) entschied das
Gericht nun über die Zulässigkeit aller Fragen, die die Verteidigung von
Elsner gestellt hatte. Am Mittwoch und Donnerstag soll die
Fragenbeantwortung durch den Sachverständigen dann beendet werden, hofft
Richterin Claudia Bandion-Ortner.
Im Zuge der Verlesungen aus dem Akt tauchte heute kurzfristig die
Karibik-Firma "Morissa" aus der Phase der Karibik-1-Geschäfte der
Bank mit Wolfgang Flöttl (bis 1994) wieder auf. Die "Morissa"
war Teil des Firmennetzwerks von Flöttl in der Karibik. Allerdings waren
auch hier die Angaben widersprüchlich: Während Flöttl versicherte, dass
Elsner im Board (Direktorium) der Morissa gesessen sei, erklärte Elsner, er
könne sich nicht erinnern, je an einer Morissa-Sitzung teilgenommen zu
haben. Eines wisse er aber schon, beteuerte Elsner: "Es hat mit
Sicherheit keine Bezüge gegeben".
Staatsanwalt beruft Gerharter-Urteil
Staatsanwalt Georg Krakow
hat zum Urteil über den ehemaligen Konsum-Chef Hermann Gerharter Berufung
erhoben. Dies bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Gerharter
war vergangenen Mittwoch wegen Beihilfe zur Untreue zu zwei Jahren Haft -
davon sechs Monate unbedingt - verurteilt worden. Sein Anwalt hatte
Rechtsmittel dagegen angekündigt, der Staatsanwalt hatte sich eine Erklärung
vorbehalten. Sollte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung Erfolg haben,
könnte Gerharters Strafe höher ausfallen.
Gegen die Urteile für Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner (zweieinhalb Jahre Haft
unbedingt) und für Ex-BAWAG-Vorstand Peter Nakowitz (15 Monate bedingt)
hatte die Staatsanwaltschaft keine Rechtsmittel eingelegt. Alle Urteile sind
nicht rechtskräftig.
Elsner übt Kritik an "News"
Im Zuge der
Verlesungen aus dem Akt - in dem auch Artikel des Nachrichtenmagazins "News"
enthalten sind - hat der Angeklagte Ex-BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner
das Magazin attackiert: Er wisse jetzt, was "News" heiße, sagte
Elsner am Montag im BAWAG-Prozess zu Richterin Claudia Bandion-Ortner: "Nicht
ein Wort stimmt."
In "News" waren immer wieder Teile aus dem BAWAG-Gerichtsakt
veröffentlicht worden. Ein Foto mit einem Porsche, das einen Artikel über
Elsner in Frankreich illustrierte, zeigte nicht einen Porsche-fahrenden
Elsner, sondern jemand anderen. News-Generalgeschäftsführer Oliver Voigt
nimmt die Vorwürfe gelassen. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht
mit Steinen werfen", so seine Reaktion.