Der 109. Verhandlungstag im BAWAG-Prozess stand ganz im Zeichen der Befragung des mitangeklagten früheren Wirtschaftsprüfers Robert Reiter.
Der mitangeklagte Wirtschaftsprüfer Robert Reiter ist am Montag, am 109. Verhandlungstag, stundenlang von Richterin Claudia Bandion-Ortner und besonders von Staatsanwalt Georg Krakow intensiv befragt worden. Krakow hielt dem Angeklagten vor, er habe die Bank-Bilanzen bestätigt, ohne die Angaben des BAWAG-Vorstands geprüft zu haben. Die gemäß Bankprüferrichtlinie erforderliche "kritische Würdigung" der Vorstandsangaben sei unterlassen worden, hielt Krakow dem Prüfer vor. Reiter entgegnete, er habe den Angaben des Vorstands vertraut, aber auch - etwa bei den vom Spekulanten Wolfgang Flöttl der BAWAG als Abdeckung für die Verluste überlassenen Bildern - "selber hingeschaut".
Reise nach Zürich erörtert
Erörtert wurde vor Gericht
- wieder einmal - die Reise nach Zürich, wo die Flöttl-Bilder gelagert
waren. An der Reise in die Schweiz am 22. Jänner 1999 nahmen neben
BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner und BAWAG-Prüfer Reiter auch der
damalige BAWAG-Vorstand Johann Zwettler, BAWAG-Generalsekretär Peter
Nakowitz und BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger teil. Flöttl hatte
seine wertvollen Bilder der BAWAG übertragen, um damit Verluste aus den
Spekulationen abzudecken. Die Bilder und Liegenschaften Flöttls waren aber
weit weniger wert, als die Verluste ausmachten.
Reiter wich Fragen aus
Während Flöttl sich in der Befragung
heute sehr genau erinnern konnte, was er mit Reiter an diesem Tag vor
neuneinhalb Jahren gesprochen hatte, hat Reiter im Detail keine Erinnerung
mehr an die damaligen Gespräche. Ihm sei es damals darum gegangen, dass die
Bilder "physisch vorhanden" seien. "Ich hatte die Bilder ja
nicht zu bewerten, ich hatte mich nur zu vergewissern, ob der Wert, den der
Vorstand angesetzt hat, plausibel ist" meinte Reiter. Der Staatsanwalt
warf dem Prüfer mehrmals vor, er weiche seinen Fragen nur aus.
Er habe sich auch betreffend des Vermögens der Stiftungen in Liechtenstein auf die Angaben der Stiftungsvorstände verlassen, sagte Reiter. Die formell eigentümerlosen Stiftungen wurden nicht in der BAWAG-Bilanz konsolidiert, dadurch wurden die Verluste quasi ausgelagert und waren in der Bilanz nicht erkennbar. Außerdem wurde eine ÖGB-Garantie für die notleidenden Forderungen erteilt, die Garantie wurde aber weder in der Bilanz noch im Lagebericht überhaupt erwähnt. "Man hat die Verluste nicht geheim gehalten, weil sie durch die Garantie ja gedeckt waren", verteidigte sich Reiter.
In seiner vorgelegten Stellungnahme zu den BAWAG-Bilanzen erläuterte der frühere KPMG-Wirtschaftsprüfer Reiter seine Sicht der Dinge: Die Jahresabschlüsse 1998 und 1999 seien für ihn "zum damaligen Zeitpunkt" in Ordnung gewesen und mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in Übereinstimmung. Für den Jahresabschluss 2001 wirft Reiter dem Sachverständigen Thomas Keppert vor, er habe in seinem Gutachten eine "sehr einseitige, gegen die Angeklagten gerichtete Sicht" eingenommen. Am Jahresabschluss 2002 finde der Sachverständige "mehrere Haare in der Suppe, wo keine sind", so der Wirtschaftsprüfer.
Enormer Schaden
Fest steht, dass in den bisherigen 108
Prozesstagen 120 Zeugen zu Wort kamen, rund 700 Stunden verhandelt und
400.000 Aktenseiten durchforstet wurden. Der Schaden, der den Angeklagten
vorgeworfen wird, hat sich im Februar von 1,4 auf 2,5 Milliarden Euro
ausgedehnt, nachdem Staatsanwalt Georg Krakow die Karibik-1-Geschäfte aus
1994 dazugerechnet hat.
Anspannung pur
Bei einer Strafdrohung von zehn Jahren Haft ist
es nachvollziehbar, dass gegen Ende hin die Nerven angespannt sind.
Unmutsäußerungen vonseiten Elsners - als es zum Beispiel um ein angebliches
Privatkonto in der Schweiz ging - häuften sich. Zwischen ihm und Flöttl
werden schon lang keine Freundlichkeiten mehr ausgetauscht. Elsner (73) ist
der einzige Angeklagte, der in U-Haft sitzt.
Ende
Ungeachtet dessen wird Richterin Bandion-Ortner diese Woche
wohl das Monsterverfahren endgültig schließen. Dann könnte Ankläger Krakow
am 23. Juni mit seinem Schlussplädoyer beginnen. Mit einem Urteil wird um
den 3. Juli gerechnet - fast pünktlich zum Jahrestag.