108. Verhandlungstag: Der Gutachter-Teil im Mega-Wirtschaftsverfahren BAWAG ist nun endgültig vorbei.
Fragen des angeklagten Wirtschaftsprüfers Robert Reiter an den Gutachter Klein wurden wieder zurückgezogen. Kleiner gebe nur ausweichende Antworten und beantworte die Fragen inhaltlich nicht, meinte Reiters Anwalt Thomas Kralik. Da auch der zweite Gutachter Thomas Keppert seine Tätigkeit im Prozess beendet hat, ist nun der Gutachter-Teil des Mega-Wirtschaftsverfahrens endgültig vorbei.
Zuletzt kam es heute noch zum Wirbel um Gutachter Kleiner, als dieser auf eine Frage von Reiters Anwalt meinte, er wäre nicht dazu da, um etwas auszurechnen. Reiter hatte nach dem prozentuellen Anteil der BAWAG-Sondergeschäfte mit Wolfgang Flöttl im Verhältnis zum Gesamtgeschäft der BAWAG gefragt. Der Gutachter gehe nicht auf Inhalte ein, sondern erzähle einfach irgendetwas, was mit der Frage gar nicht in Zusammenhang stehe, kritisierte Kralik. Daher habe er seine übrigen Fragen zurückgezogen.
Elsner schwer belastet, keine Verfehlungen bei Flöttl
Über
tausend Fragen an Gutachter Kleiner hatte die Verteidigung von Ex-BAWAG-Chef
Helmut Elsner gerichtet. Kleiner hatte in seinem 432-seitigen Mitte Jänner
präsentierten Gutachten die früheren BAWAG-Manager schwer belastet und ihnen
den Gang ins Casino vorgeworfen, indem sie mit Flöttl derartig riskante
Geschäfte machten. Bei dem Spekulanten Flöttl hingegen konnte er keine
Verfehlungen erkennen. Der daraufhin einsetzende Fragenmarathon hatte den
Prozess monatelang beschäftigt.
Urteil am 3. Juli
Der weitere Fahrplan im Prozess: Nächste Woche
sind noch drei Verhandlungstage (Montag, Dienstag, Donnerstag) im Wiener
Landesgericht angesetzt. In der Woche darauf, am 23. oder 24. Juni, sollen
die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigern gehalten werden. Am 30. Juni
sollen die Angeklagten dann die Möglichkeit zu einem Schlusswort erhalten.
Mit einem Urteil könnte etwa am 3. Juli gerechnet werden, hieß es heute
Donnerstag von Richterin Claudia Bandion-Ortner. Der Prozess hatte Mitte
Juli 2007 begonnen und würde dann rund ein Jahr gedauert haben.
600.000 Euro Honorar für Kleiner
Die aufgelaufenen
Gerichtskosten sind beträchtlich: Alleine das Honorar für Kleiner macht
600.000 Euro (nach Abzug der Umsatzsteuer), brutto also etwa 720.000 Euro
aus. Keppert hat nach eigenen Angaben weniger als die Hälfte von Kleiners
Honorar veranschlagt, also unter 300.000 Euro. Der abgelehnte Gutachter
Christian Imo hatte über 50.000 Euro Honorar als Kostennote gelegt,
allerdings weniger zugesprochen erhalten, hieß es heute bei Gericht. Zu rund
einer Mio. Euro Sachverständigenkosten kommen noch Kosten für die
Übersetzungen von etwa 150.000 Euro.
Das Schöffengericht selber ist vergleichsweise sehr billig: Die Kosten für ein Schöffengericht sind mit 2.500 Euro limitiert - auch in einem Mega-Prozess wie diesem. Die Gerichtskosten werden zunächst vom Staat getragen, im Fall von Schuldsprüchen werden sie den Verurteilten auferlegt.
Ehefrau Elsners bestreitet Geschäftliches in der Karibik
Zur
Frage von Elsners angeblichem Honorar von Flöttls Firma Morissa, wo Elsner
als Verwaltungsrat amtierte, wurde heute überraschend Elsners Ehefrau Ruth
vom Zuschauerraum in den Zeugenstand gerufen. Während Flöttl behauptete, bei
Karibik-Aufenthalten auf Barbados und der Dominikanischen Republik hätten
auch Morissa-Sitzungen stattgefunden, bestritt dies Ruth Elsner: Auf diesen
Urlauben sei nichts geschäftliches besprochen worden. Ein ehemaliger
Morissa-Verwaltungsrat, der laut Flöttl auch an den angeblichen Sitzungen in
der Karibik teilnahm, Jeffrey Taylor, wird nicht mehr als Zeuge befragt
werden können: Der frühere Manager der britischen Midland Bank, ist laut
britischen Zeitungsberichten bereits verstorben, ermittelte Staatsanwalt
Georg Krakow.
"Gelbe Karte" - EM "erfasst" den Prozess
Kurz
flammte im BAWAG-Prozess auch Fußball-Stimmung auf. Einen "aufgelegten
Elfmeter" ortete Wolfgang Flöttls Verteidiger Christian Hausmaninger
bei einer Frage von Elsners Verteidigung. Richterin Claudia Bandion-Ortner
mahnte die Beteiligten, sie sollten nicht dauernd durcheinanderreden, sonst
würde sie die "Gelbe Karte" vergeben.
Zwettler tippt auf Portugal/Holland
Der mitangeklagte
Ex-BAWAG-Chef Johann Zwettler outete sich in einer Pause als Fußballfan.
Sein Tipp für die Europameisterschaft: Portugal oder die Niederlande würden
die EM gewinnen. Diese Mannschaften hätten bisher am besten gespielt.