Die Fabrikanten schicken ihre Belegschaft temporär stempeln - Das Kurzarbeitsmodell ist ihnen zu unflexibel.
Immer mehr von der Krise getroffene Industriebetriebe suchen nach Möglichkeiten, Kapazitäten anzupassen und Personalkosten drastisch zu senken und verfallen dabei darauf, ihre Belegschaft nach dem Muster der Saisonbranchen zeitlich begrenzt "stempeln zu schicken".
Halbe Million Arbeitslose
"Auch wir diskutieren in unserem
Betrieb Aussetzungsverträge", sagt Wolfgang Welser, Chef eines
Metallverbeitungs-Familienbetriebs in Ybbsitz (1.800 Mitarbeiter). Sollte
das erst vor zwei Monaten reformierte Kurzarbeitsmodell nicht angepasst
werden, prophezeit der Spartenobmann Industrie in der Wirtschaftskammer
(WKÖ) in der zweiten Jahreshälfte 2010 eine halbe Million Arbeitslose in
Österreich.
Kurzarbeitsmodell nicht ideal?
Derzeit sind in Österreich
offiziell "nur" 258.000 Menschen arbeitslos, tatsächlich sind es
322.409 (inklusive Schulungen), dazu kommen 60.000 in Kurzarbeit. Die Zahl
der Kurzarbeiter ist in den vergangenen Monaten eskaliert. Weil mit dem vom
Arbeitsmarktservice unterstützten Modell u.a. aber Behaltefristen verbunden
sind, sehen sich viele Unternehmer in ihrer Flexibilität, auf die Krise zu
reagieren, beschränkt. Die Gewerkschaften werfen den Unternehmern dagegen
vor, ihre Kosten nur auf die öffentliche Hand überwälzen zu wollen, ohne
ihren Teil der Verantwortung bzw. des Risikos zu tragen.
Behaltefristen problematisch
Welser, der an seinem deutschen
Produktionsstandort kurzarbeiten lässt, will das gegenwärtige
österreichische Kurzarbeitsmodell in seinem Betrieb nicht anwenden. "Ich
glaube zwar, den Boden schon sehen zu können, ich würde mich aber in der
gegenwärtigen Situation nicht trauen, kurz arbeiten zu lassen." Ähnliche
Aussagen des Salzburger Arbeitgeber-Verhandlers Hermann Haslauer hatten vor
kurzem für einen Eklat mit dem neuen Metallergewerkschaftschef Rainer Wimmer
gesorgt.
Vorübergehend arbeitslos melden
Stattdessen will Welser drei
Schichten alternierend jeweils zwei Monate in die Arbeitslose schicken -
verbunden mit einem Rückkehrrecht und einer Rückkehrprämie sowie der
Hoffnung, dass das AMS die Mitarbeiter während dieser Zeit nicht vermittelt.
Ähnliche Praktiken etwa in der Bauwirtschaft werden seit Jahr und Tag
stillschweigend geduldet. Welser räumt aber ein, dass damit erhebliche
rechtliche Unsicherheiten verbunden sind und dass in einem Musterprozess
festgestellt werden könnte, dass die Mitarbeiter juristisch nur als
karenziert zu betrachten sind. Selbst der Start eines solchen Prozesses
könnte die Arbeitgeber dazu verleiten, "brutal zu kündigen", warnt er.
Reform verlangt
Sollte keine Reform der reformierten Kurzarbeit
kommen, will Welser in seinem Betrieb versuchen, seine drei Schichten
zweimal jeweils zwei Monate aussetzen zu lassen und damit die Zeit bis Mitte
2010 zu überbrücken, ohne in die Verpflichtungen aus den Behaltefristen zu
laufen. Sollte die Lage bis dahin klarer geworden sein, sei vielleicht auch
Kurzarbeit auf der bestehenden Basis möglich.
Welser Profile hat derzeit einen um siebzig Prozent gesunkenen Auftragsstand und produzierte im ersten Quartal halb so viel wie vor einem Jahr. In zweiten Quartal würden es vielleicht wieder 60 Prozent sein, sagt Welser. Weil die Firma bisher immer sehr profitabel gewesen sei und keine Dividenden ausgeschüttet habe, könne man etwa auf diesem Niveau ausgeglichen wirtschaften. Das sei aber nicht repräsentativ.
Bis "spätestens September" solle eine neue Kurzarbeits-Regelung nach dem Muster Deutschlands getroffen werden, forderte er. Neben den nicht vorhandenen Behaltefristen preisen die Arbeitgeber großzügigere Regelungen bei Überstunden und Leiharbeitern als Vorteil des deutschen Modells an.
Andernfalls wird die Arbeitslosigkeit in Österreich erstmals schneller steigen als jene in Deutschland, prophezeit Welser: "Wenn nichts passiert, glaube ich, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2010 rund 500.000 Arbeitslose haben. Wenn etwas gemacht wird, 400.000."