44. Verhandlungstag im BAWAG-Prozess: Zwei Ermittler der "Sonderkommission BAWAG" standen im Zeugenstand.
Das ehemals angesehene Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen, das 2002 im Zuge des Enron-Skandals negative Schlagzeilen machte und in weiterer Folge zerschlagen wurde, hatte in den Jahren 1998 und 2000 Verlust-Audits über die von Investmentbanker Wolfgang Flöttl verursachten Verluste erstellt, die die BAWAG als seinen Geldgeber in ihrer Existenz bedrohten. Während das erste Audit derzeit von einem Sachverständigen beleuchtet wird, nahm der "Soko BAWAG"-Ermittler Andreas Herb in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme zum zweiten Audit Stellung.
Nur knapp 70 Prozent überprüft
Arthur Anderson hätte
vor allem die aus den Uni-Bonds-Veranlagungen resultierenden Verluste zu
überprüfen gehabt. Es wurden allerdings nur 69,6 Prozent der dafür in Frage
kommenden Geschäftsvorgänge in Augenschein genommen, wie der Ermittler dem
Schöffensenat verriet, der sich im Vorfeld eingehend mit dem mehrere tausend
Seiten umfassenden Anderson-Bericht auseinandergesetzt hatte.
Sorgfältige Prüfung eines Samples
Die Prüfer hätten "Samples"
gezogen und diese "zu 100 Prozent nachvollzogen", sagte Herb. Von
den behaupteten 464 Mio. Euro, die Flöttl im zu überprüfenden Zeitraum
verspekuliert haben soll, wurde so aber nur der Verbleib von 322 Mio. Euro
geklärt und als tatsächlich verloren erklärt. Die Frage, warum nicht
umfassend geprüft worden war, musste der BAWAG-Ermittler schuldig bleiben:
Es stehe ihm nicht zu, sich dazu zu äußern. Vermutlich dürften im weiteren
Prozessverlauf die bestellten Gerichtsgutachter den Auftrag erhalten, sich
mit der "Lücke" von 142 Mio. Euro auseinanderzusetzen. Der
Zeuge hielt jedenfalls fest, Arthur Andersen habe "das, was gemacht
worden ist, sorgfältig gemacht".
Die "Soko BAWAG" umfasst derzeit 15 Beamte, die nicht nur laufend die Staatsanwaltschaft und das Gericht mit neuen Erkenntnissen zu inkriminierten Abläufen beliefern, sondern vor allem auch im Refco-Komplex ermitteln, der im kommenden Jahr Gegenstand einer weiteren Anklage der Staatsanwaltschaft Wien gegen den damals verantwortlichen BAWAG-Vorstand werden dürfte.
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13 Millionen für "abgedeckte Ansprüche"
Die
Sonderkommission hatte unter anderem festgestellt, dass Wolfgang Flöttl noch
im Jänner 2001 und damit wenige Wochen, bevor der ÖGB als damaliger
Mehrheitseigentümer eine Garantierklärung für die finanziell schwer
angeschlagene Bank abgab, noch rund 13 Mio. Euro zur Verfügung gestellt
bekam, "um Ansprüche abzudecken und Fonds zu liquidieren",
wie dazu heute der ehemalige BAWAG-Generalsekretär und spätere Vorstand
Peter Nakowitz ausführte. Im April 2001 flossen rund 17 Mio. Euro zurück auf
der BAWAG zuzurechnende Stiftungen in Liechtenstein, was zumindest für
Außenstehende den Eindruck erwecken könnte, Flöttl hätte auch dieses Geld
zum - diesmal erfolgreichen - Spekulieren und nicht zum Ruhendstellen seiner
Firmengruppe verwendet.
Mit Elsner abgesprochen?
Der Investmentbanker beteuerte in Bezug
darauf ein Mal mehr, seine Vorgangsweise sei in Form einer mündlichen
Einverständniserklärung des BAWAG-Generaldirektors Helmut Elsner seitens der
Bank abgesegnet worden. Elsner widersprach heftig: "Mit mir ist nichts
besprochen worden! Das ist eine glatte Lüge! Da wird soviel geschwindelt,
das ist unfassbar!"
"Alles ist weg"
Zum Abschluss des heutigen
Verhandlungstages ging es um die Frage, wie und wann in der BAWAG
entschieden wurde, die großen Verluste vom Jahr 2000 nicht in der Bilanz
auszuweisen, sondern de facto vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen. Am
11. Dezember 2000 habe ihm Elsner die Verluste mit den Worten "alles ist
weg" mitgeteilt, schilderte der frühere BAWAG-Vorstand und spätere
Generaldirektor Johann Zwettler. Er habe Elsner daraufhin gesagt, "wir haben
ein Riesen-Bilanzproblem". Im Dezember seien schon die normalen
Bilanzierungsarbeiten zur Vorbereitung des Jahresabschlusses im Gange
gewesen. "Die Bilanz in der Form, wie wir sie angedacht haben, ist zum
Schmeißen", so Zwettler wörtlich. Das "Riesen-Bilanzproblem" sei nur durch
die ÖGB-Garantie lösbar gewesen.
ÖGB wollte keine Verluste
Warum der Verlust nicht in der
Bilanz ausgewiesen wurde, wollte die Richterin wissen. Vom damaligen
Mehrheitseigentümer ÖGB seien Verluste "nicht gewünscht" gewesen, er
persönlich sei damals der Meinung gewesen, das Ausweisen der Verluste hätte
zu einem Run auf die Bank geführt, erläuterte Elsner. Der damalige
Aufsichtsratspräsident der Bank, Günter Weninger, betonte, er sei in diese
Gespräche erst im Jänner eingebunden worden, Ende Jänner seien dann
Varianten an ihn herangetragen worden. Nach Rücksprache mit dem damaligen
ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch sei ihm die ÖGB-Garantie lieber gewesen
als der Ausweis von Verlusten. Auf Vorhalt von Staatsanwalt Georg Krakow,
der aus den Protokollen zitierte "Am 26. Jänner 2001 wird von der KPMG das
Modell zur Bereinigung vorgestellt", betonte der mitangeklagte
Wirtschaftsprüfer Robert Reiter, er habe keine aktive Rolle gespielt.