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Sarkozy will Industrie verstaatlichen

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Frankreichs Präsident lässt aufhorchen: Sarkozy will den Ausverkauf wichtiger Unternehmen verhindern - durch einen eigenen EU-Staatsfonds.

Als Antwort auf die drohende Wirtschaftskrise hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy eine Teilverstaatlichung von Schlüsselindustrien vorgeschlagen. "Wir sollten über eigene Staatsfonds nachdenken, um strategisch wichtige Unternehmensanteile, die abgewertet sind, aufzukaufen", sagte der amtierende EU-Ratspräsident am Dienstag auf einer Pressekonferenz im Europaparlament. "Wenn die Krise dann vorbei ist, können wir die Aktien wieder auf den Markt bringen."

Auf diese Weise könnten die EU-Staaten einen Ausverkauf wichtiger Unternehmen an nichteuropäische Investoren verhindern, erklärte Sarkozy. "Ich möchte nicht, dass die Bürger eines Tages aufwachen und feststellen, dass sich die großen europäischen Unternehmen in den Händen nichteuropäischer Kapitaleigner befinden."

Staatsfonds gehen "einkaufen"
Wegen der fallenden Aktienkurse sind viele europäische Unternehmen derzeit vergleichsweise günstig zu haben. Nach einer Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) nutzen Staatsfonds aus dem Nahen Osten und Asien die Krise, um sich verstärkt bei europäischen und US-Unternehmen einzukaufen.

Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise wurden in den vergangenen Wochen in den USA, Großbritannien und in den Benelux-Staaten bereits mehrere Banken teilverstaatlicht. Begründet wurde dies allerdings mit der Notwendigkeit, die Finanzinstitute vor dem Zusammenbruch zu bewahren, nicht mit der Abwehr ausländischer Investoren.

15-Euro-Staaten sollen regelmäßige Treffen abhalten
Um die Wirtschaftspolitik innerhalb der Währungsunion besser aufeinander abzustimmen, schlug Sarkozy regelmäßige Gipfeltreffen der 15 Euro-Staaten vor. "Es ist unmöglich, dass die Eurozone ohne klar bestimmte wirtschaftliche Führung weitermacht", sagte er. "Meiner Meinung nach wäre eine solche Wirtschaftsregierung die Eurogruppe auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs." Derzeit treffen sich einmal im Monat die Finanzminister der 15 Staaten der Währungsunion. Die bislang erste Sitzung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs fand am 12. Oktober auf Einladung Sarkozys in Paris statt.

International müsse sich die EU für "eine Neugründung des Kapitalismus" einsetzen, forderte Sarkozy. Nach den gemeinsamen Beschlüssen zur Bewältigung der Finanzmarktkrise gelte es sicherzustellen, "dass so etwas nie wieder passiert". Auf dem für November geplanten Weltfinanzgipfel der G-8-Staaten und der wichtigsten Schwellenländer müsse sich die EU deshalb für neue Regeln und "eine weltweit abgestimmte Steuerung" der Finanzmärkte einsetzen, erklärte der französische Staatspräsident.

Klimaschutz darf nicht aus den Augen verloren werden
Zugleich warnte Sarkozy davor, wegen der Finanzmarktkrise die EU-Klimaschutzziele aufzugeben. Dies wäre "ein dramatischer Fehler", sagte der amtierende EU-Ratspräsident. Europa müsse beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen: "Wenn Europa diese Arbeit nicht macht, wird sie uns niemand abnehmen." Das Klimaschutzpaket müsse auf dem EU-Gipfel im Dezember verabschiedet werden, bekräftigte Sarkozy.

Auf dem Dezember-Gipfel will der französische Präsident auch einen Fahrplan zur Rettung des EU-Reformvertrags vorlegen. Der Reformvertrag von Lissabon war im Juni bei einer Volksabstimmung in Irland abgelehnt worden. Die Finanzmarktkrise mache jedoch deutlich, dass eine EU-Reform dringend nötig sei, erklärte Sarkozy: "Die Krise schreit nach einer Reform der europäischen Institutionen, damit Europa künftig so schnell reagieren kann wie die USA."

Berlin lehnt Vorschläge ab
Die Vorschläge von Sarkozy zur Teilverstaatlichung sind in Deutschland auf Ablehnung gestoßen. Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hält die Forderungen für unvereinbar mit der deutschen Wirtschaftspolitik, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Mittwochausgabe) berichtet. Scharfe Kritik kam auch von CDU und FDP.

Glos sagte dem Blatt zufolge: "Der französische Vorschlag, europäische Industrie durch staatliche Beteiligungen vor der Übernahme durch ausländische Staatsfonds zu schützen, widerspricht allen erfolgreichen Grundsätzen unserer Wirtschaftspolitik." Die staatlichen Interventionen im Banken- und Versicherungssektor seien eine "unverzichtbare Ausnahme, um den drohenden Zusammenbruch der finanziellen Kreisläufe zu verhindern und so Wachstum und Arbeitsplätze zu schützen. Deutschland bleibt deshalb offen für Kapital aus aller Welt."

Lesen Sie weiter: Das sind Staatsfonds

Staatsfonds spielen seit etwa dem Jahr 2000 eine zunehmende Rolle für die internationalen Finanzmärkte. Sie sind im Besitz der jeweiligen Staaten und speisen sich beispielsweise aus den Gewinnen der Erdölförderung, wie in Russland, dem Nahen Osten oder Norwegen, oder aus dem Export von Kupfer oder Diamanten. Eine andere Quelle des Fonds-Reichtums sind Devisenüberschüsse aus dem Handel und die Reserven der Zentralbanken, zum Beispiel in China.

Staatsfonds gibt es schon seit den 50er Jahren. Einer der ältesten ist die Kuwait Investment Authority (KIA), gegründet 1953. Kuwait ist schon seit langem Großaktionär beim Autohersteller Daimler in Stuttgart.

Nach Angaben der Deutsche Bank Research aus dem Jahr 2007 belief sich die Summe der in Staatsfonds angehäuften Reichtümer auf etwa 3,1 Billionen Dollar, mit kräftig steigender Tendenz. Das ist etwa doppelt so viel wie die Mittel aller Hedgefonds zusammen. Andere Quellen schätzen die Aktiva der SWF (Sovereign Wealth Fonds) zwischen 2,5 Billionen und 3,5 Billionen Dollar.

Abu Dhabi größter Staatsfonds
Größter Staatsfond ist nach Angaben von Deutsche Bank Research die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) mit einem Vermögen von angeblich 875 Mrd. Dollar (664 Mrd. Euro), wobei das Emirat nie offizielle Zahlen genannt hat. Schätzungen reichen von 500 Mrd. Dollar bis 900 Mrd. Dollar. Danach folgen die Pensionsfonds von Norwegen und Singapur mit jeweils deutlich über 300 Mrd. Dollar.

Ihre weltweit ausgeweiteten Aktivitäten hat die Staatsfonds in den vergangenen Jahren zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Dabei kam eine Diskussion auf, inwieweit von ausländischen Regierungen kontrollierte Fonds gehindert werden sollten, strategisch bedeutsame Firmen zu übernehmen. In letzter Zeit überwiegt allerdings angesichts der Finanzmarktkrise die Haltung, dass die Staatsfonds zur Stützung angeschlagener Unternehmen und vor allem Banken willkommen sind.

Banken erhalten Finanzspritzen
Je mehr sich die Finanzmarktkrise zuspitzte, desto größer wurden die Investitionen von SWF in Großbanken: Beispielsweise bekam Citigroup 7,5 Mrd. Dollar aus Abu Dhabi, die Schweizer UBS wurde von Singapur und einem ungenannten Investor aus dem Mittleren Osten gestützt.

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